Mobilität für morgen
Prof. Dr.-Ing. Peter Gutzmer
Uwe Wagner
Matthias Zink
I. Was uns bewegt: Zukünftige Mobilitätskonzepte
II. Was uns leitet: Die Energiekette der Mobilität
weitsichtigen Entwicklungsprojekten wie Neom in Saudi-Arabien
1. Neue und vernetzte Mobilitätslösungen ermöglichen einen schnellen und hochautomatisierten Transport innerhalb der Stadt.
2. Weitgehende Emissionsfreiheit führt zu einer hohen Lebensqualität.
3. Es kommt ausschließlich regenerative Energie zum Einsatz.
benötigte zusätzliche Fahrzeit
Ein idealer innenstädtischer Verkehrsträger ist das elektrifizierte Fahrrad (Pedelec). Weltweit steigende Verkäufe tragen dazu bei, dass der Anteil des Fahrradverkehrs an der Gesamtverkehrsleistung zunimmt. Allerdings weist auch ein High-Tech-Pedelec die klassischen Nachteile des Fahrrads auf: Es fehlt ein Wetterschutz für den Nutzer. Der Lastentransport ist zudem bei einem einspurigen Fahrzeug stark eingeschränkt. Vor diesem Hintergrund hat Schaeffler die Konzeptstudie „Bio-Hybrid“ entwickelt und 2016 erstmals präsentiert. Sie überträgt den Pedelec-Gedanken auf ein zweispuriges Fahrzeug, bei dem der Fahrer durch einen 250 bis 750 Watt starken Niedervolt-Antrieb unterstützt wird. Wie bei einem Hybridantrieb üblich, wird die Bremsenergie so weit als möglich rekuperiert. Um das Leichtbaufahrzeug gut manövrieren zu können, verfügt der Elektroantrieb über einen Rückwärtsgang. Die Spurweite des Bio-Hybrids ist mit 800 mm so ausgelegt, dass öffentliche Radwege genutzt werden können. Hierdurch ist nicht nur reiner Personen-, sondern auch Warentransport umweltschonend und unabhängig vom Autoverkehr umsetzbar. 2018 wurde eine eigene GmbH gegründet, um das Fahrzeug in einer Start-up-Atmosphäre zur Serienreife zu entwickeln und zeitnah zu vermarkten.
Bild 1 Der Schaeffer Mover mit Radnabenantrieb ist eine Fahrzeugplattform für unterschiedlichste Fahrzeugkonzepte und Anwendungen wie Robotertaxis. Der Schaeffler Mover ist so ausgeführt, dass er um verschiedenste Haubenkonzepte komplettiert werden kann und eine so maximale Einsatzvariabilität ermöglicht. Eine maximale Fahrzeugwendigkeit wird durch die Kombination aus 90°-Lenksystem und Radnabenantrieb gewährleistet.
Zuverlässiger, flexibler und komfortabler Service mit hoher Verfügbarkeit sind die entscheidenden Kundenanforderungen an ein hochautomatisiertes Fahrzeug für den urbanen Einsatz. Der Schaeffler Mover entspricht diesen Kundenanforderungen. So ermöglicht es die Fahrdynamikregelung, jedes Schaeffler Intelligent Corner Module individuell anzusteuern. Das ermöglicht einen querkraftoptimierten Spurwechsel, was zum Beispiel für den lesenden Fahrgast sehr angenehm ist. Zugleich gewährleistet dieses Antriebskonzept eine sehr hohe Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit. Die gewählte Form der Radaufhängung ermöglicht einen Radeinschlag von bis zu 90° und ermöglicht eine auf diese Weise hohe Manövrierbarkeit in engen Gassen sowie ein schnelles und gezieltes Halten zum Ein- und Aussteigen der Fahrgäste.
Der hohe Integrationsgrad, den das Schaeffler Intelligent Corner Module aufweist, hat weitere Vorteile. So benötigen Antrieb und Fahrwerk insgesamt weniger Bauraum – den freiwerdenden Platz nutzen Passagiere und die Technik (Batterie und Nebenaggregate). Zudem ermöglicht das Modul eine einfache Skalierung des People Mover, da breitere und längere Varianten ohne Veränderungen an Antrieb und Fahrwerk herzustellen sind.
Bild 2 Für den Wandel gerüstet: Entscheidend für die Mobilitätswelt von morgen sind saubere Antriebslösungen und innovative Fortbewegungskonzepte. Schaeffler spannt den Bogen von energieeffizienten Technologien für emissionsarmes und emissionsfreies Fahren bis hin zu neuen Formen der Mobilität für die Stadt der Zukunft.
Effizient unterwegs
Mit Serienlösungen für moderne Fahrzeugarchitekturen leistet Schaeffler einen Beitrag dazu, die Schadstoffbelastung in Städten zu senken. Die Produktpalette reicht vom Thermomanagementmodul über die Steuerung der Motorventile bis hin zu 48-Volt-Hybridtechnologien und elektrischen Kupplungssystemen.
Elektrifiziert in die Zukunft
Mit ganzheitlichen Lösungen ermöglicht Schaeffler rein elektrische Antriebstechnologien, wie beispielsweise elektrische Achsen und Hochvolt-Hybridmodule.
Schaeffler Mover
Der Schaeffler Mover mit Radnabenantrieb bietet eine Plattform für unterschiedlichste Fahrzeugkonzepte. Die Antriebs- und Fahrwerkskomponenten sind platzsparend in einer Einheit zusammengefasst. Dies ermöglicht eine 90°-Lenkung und bietet maximalen Platz im Innenraum. Optimal für autonome und elektrifizierte Mobilitätslösungen wie Robotertaxis oder Transportfahrzeuge.
E-Board
Das ideale Fortbewegungsmittel vom Parkplatz bis ins Büro glänzt mit seinen handlichen Ausmaßen und einer Reichweite von 25 km.
Bio-Hybrid
Das kompakte Fahrzeug bietet mit vier Rädern und elektrischem Antrieb – wie bei einem Pedelec – hohe Fahrdynamik, Spurstabilität und einen Wetterschutz. Das Konzept ist als Plattform ausgelegt, sodass neben einer Personenvariante auch Aufbauten, wie zum Beispiel eine Cargo-Version, möglich sind.
Die Vernetzung ist bei einem People Mover entscheidende Voraussetzung für den reibungslosen Betrieb. Das erreicht man durch einen digitalen Zwilling des Fahrzeugs, der ein Abbild des realen Fahrzeugs in der Cloud darstellt. Durch eine laufende Analyse der Betriebs- und Zustandsdaten lässt sich zum Beispiel zukünftiger Wartungsbedarf mit zeitlichem Vorlauf erkennen. Auch Nutzungsprofile lassen sich hierdurch auswerten und können der Weiterentwicklung des Fahrzeugs zugrunde gelegt werden. Die Vernetzung ermöglicht außerdem zusätzlichen Kundennutzen durch individuelle, digitale Dienstleistungen.
Um die ehrgeizigen Klimaziele von Paris zu erreichen, muss ein wesentlicher Umbruch bei den zukünftigen Antriebsstrangtechnologien geschehen. Basierend auf Marktanalysen und eigenen Berechnungen hat Schaeffler ein Szenario entwickelt, bei dem im Jahr 2030 folgende Marktanteile auf die unterschiedlichen Antriebsarten entfallen:
• 40 % des Produktionsvolumens entfallen auf Hybridfahrzeuge
• In den verbleibenden 30 % der Fahrzeuge dient allein ein Verbrennungsmotor als Antriebsquelle.
Dies ist natürlich nur ein Szenario von vielen, das genauso wahrscheinlich nicht eintreten wird. Dennoch zeigt es auf, in welche Richtung sich die zukünftigen Antriebsstränge entwickeln werden.
Bild 3 Die Energiekette der Mobilität für morgen
Bei der CO₂-Betrachtung dürfen aber nicht nur die Emissionen während der Nutzungsphase betrachtet werden, sondern auch die Anteile, die für die Bereitstellung der Energie und die Herstellung des Fahrzeugs einschließlich des Antriebs und elektrischem Energiespeicher generiert werden. Die Energiekette kann man daher in folgende drei Sequenzen unterteilen, wobei langfristige Lösungen hinsichtlich aller Teile inklusiver ihrer Wechselwirkung optimiert werden müssen:
Tank to Wheel
Für diesen Anteil an den CO₂-Emissionen ist der Verbrennungsmotor verantwortlich. Die vom Gesetzgeber geforderten Zielwerte für 2030 sind allerdings allein durch Optimierung des Verbrennungsmotors nicht zu erreichen. Ergänzend werden elektrische Fahranteile und Rekuperation durch Hybridisierung benötigt. Dennoch wird auch der verbrennungsmotorische Antriebsstrang weiter entwickelt, um die CO₂- und Schadstoff-Emissionen in den durch WLTC und RDE erweiterten Betriebskennfeldern reduzieren zu können. Ein spezifischer Kraftstoffverbrauch von 200 g/kWh für Ottomotoren und damit ein Wirkungsgrad von circa 45 % scheinen erreichbar zu sein. Diesen Wert hat der Dieselmotor schon erreicht; hier wird es darum gehen, die Schadstoffemissionen unter die Grenzwerte zu bekommen, ohne dabei den Wirkungsgrad massiv zu verschlechtern. Und schließlich bietet Erdgas das Potential, die CO₂-Emissionen im Vergleich zum Benzinbetrieb um circa 25 % zu reduzieren. Die Herausforderung liegt hier weniger in der Fahrzeugtechnik als vielmehr im Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur, um das Potential durch entsprechende Käuferakzeptanz zu entfalten.
Well to Tank
Betrachtet man die durch den Einsatz von Fahrzeugen verursachten Treibhausgas-Emissionen ganzheitlich, so sind auch alle durch die Energiebereitstellung direkt oder indirekt verursachten Emissionen zu berücksichtigen und auf den gefahrenen Kilometer umzurechnen. Fossile Energieträger haben hierbei in der Regel eine sehr günstige Bilanz, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass zwar chemische Raffinerie-Prozesse, nicht aber eine Umwandlung von einer Energieform in die andere notwendig ist. Um regenerativ gewonnenen Strom im Verkehrssektor einzusetzen, ist es daher rein aus Sicht des Wirkungsgrades zunächst sinnvoll, ihn möglichst direkt zu verwenden, sprich in batterieelektrischen Fahrzeugen. Bei einer Umwandlung in chemisch gebundene Energie ist entsprechend der Zahl der Schritte sowie der sich multiplizierenden Wirkungsgrade theoretisch folgende Reihenfolge zu bevorzugen:
1. Per Elektrolyse erzeugter Wasserstoff und dessen Nutzung in der Brennstoffzelle (ein Weg, der vor allem in Japan mit ersten Brennstoffzellen-Serienfahrzeugen bereits beschritten wird)
2. Synthetisch erzeugte gasförmige oder flüssige Kraftstoffe, von denen E-Methan als Erdgasersatz – in beliebiger Menge beizumischen – den Energieträger mit den geringsten Wirkungsgradverlusten in der Erzeugung darstellt.
In der Praxis ist jedoch nicht nur die Frage nach dem bestmöglichen Wirkungsgrad relevant, sondern auch die Einsetzmöglichkeit einer bestimmten Kombination von Energieerzeuger, Energiespeicher und Energieträger. Wo sich zum Beispiel das Betriebsprofil eines Fahrzeugs, etwa durch sehr große zurückgelegte Strecken und nur sehr kurze Tankstopps einer Elektrifizierung entzieht, ist es sinnvoll, über alternative Wege zum Nullemissionsziel nachzudenken. Grundsätzlich steht die regenerativ erzeugte Energie nicht immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung, so dass sich die Wandlung in alternative Energieträger wie Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe als sinnvolle Lösung anbietet. Inwieweit dabei Biokraftstoffe der zweiten Generation – also ohne Konkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung – eine Rolle spielen, ist Bestandteil eines derzeit geführten gesellschaftlichen Diskurses.
Herstellung und Entsorgung
In diesem Umfeld plant Schaeffler mit dem bereits geschilderten Szenario, nachdem im Jahr 2030 rund 30 % aller Fahrzeuge vollständig elektrifiziert sind und 30 % allein mit einem Verbrennungsmotor betrieben werden. Die restlichen 40 % verteilen sich auf unterschiedliche Hybridvarianten. Neben der Entwicklung der richtigen technischen Lösungen für dieses Szenario wird der Fokus auch weiterhin auf der Beobachtung der folgenden Trends liegen:
• Weiterentwicklung von Speichertechnologien
• Verfügbarkeit der benötigten Rohstoffe
• Aufbau der Produktions- und der Verteilinfrastruktur
• politische Förderung
• und nicht zuletzt der Entwicklung der Verkehrsnachfrage (quantitativ und qualitativ).
Nur durch die Kombination von innovativen Produktentwicklungen und realistischen Szenarien kann die Verkehrswende erfolgreich gestaltet werden.
Bild 4 Komplexitätsbeherrschung durch Simulations- und Entwicklungskompetenz
Die Herausforderung für alle zukünftig denkbaren Antriebsformen wird die möglichst effiziente Umwandlung von gespeicherter Energie in Bewegungsenergie sein. Eine nachhaltige Bewertung der „richtigen“ Antriebsform muss hierzu die reale Verwendung des Fahrzeuges in den verschiedenen Fahrbedingungen, Märkten und Regionen abbilden. Dies bedingt auch, dass ein Homologationszyklus zugrunde gelegt wird, der diese Realität bestmöglich reflektiert. Erste Schritte hierzu sind mit dem Einsatz des WLTP statt des NEFZ sowie der Erarbeitung von RDE-Betriebspunkten bereits eingeleitet. Diese neuen, realistischen Homologationsbedingungen in Kombination mit den sehr ambitionierten Beschlüssen zur CO₂- und Schadstoffreduktion stellt die Automobilindustrie vor erhebliche neue Herausforderungen.
Bild 5 Die Schaeffler Powertrain Matrix – Lösungen für alle Antriebskonzepte
Angesichts der aktuellen Primärenergiestruktur und der Limitierungen durch Infrastruktur und Speichermedien gilt es, neben dem elektrischen Fahren kurzfristig technische und wirtschaftliche Lösungen für den Realfahrbetrieb auf Basis heutiger Antriebsstränge zu realisieren. Die Varianz der erwähnten Energiespeicherarten (fossile Kraftstoffe, E-Kraftstoffe, Batterien und Brennstoffzelle) sowie die aktuelle Vielfalt der Antriebsaggregate in Form von drei Motorbauformen (Otto, Diesel, Elektromotor), fünf verschiedenen Getriebearten und mindestens sechs verschiedenen Hybrideinbauarten und -orten erfordert ein hohes Maß an Antriebsstrang- und Fahrzeugkompetenz, um die technisch und wirtschaftlichen optimalen Lösungen zu entwickeln. Um diesen Wandel aktiv mit zu gestalten, hat sich Schaeffler von der bisherigen klassischen Herangehensweise in den Aggregateklassen „Motor“ und „Getriebe“ gelöst und konzentriert sich auf die Entwicklung des Gesamtsystems – dies ermöglicht nachhaltige Betrachtungen und Innovationen auf der Ebene Antriebsstrang und Gesamtfahrzeug.
Basierend auf dem Grad der Elektrifizierung „Mikrohybrid“, „Mild-/Vollhybrid“, „Plug-in-Hybrid“ sowie „xEV“ werden in einer „Powertrainmatrix“ konsequent neue Lösungen in den Teilsystemen Motor, Getriebe und elektrischer Antrieb für die Antriebe von morgen entwickelt.
Gemeinsam ist allen Lösungswegen, dass ein Optimum nur zu erreichen ist, wenn der gesamte Antrieb mit allen physikalischen Wechselwirkungen zwischen Verbrennungsmotor, Getriebe und elektrischer Maschine betrachtet wird – also nicht nur Kraftflüsse, sondern auch akustische und thermische Phänomene berücksichtigt werden. Grundlage hierfür sind die aus verschiedenen Produktbereichen bekannte Simulations- und Entwicklungskompetenz sowie die konsequente Umsetzung von Produktideen in der gewohnt hohen vertikalen Wertschöpfung.
Neue Konzepte wie der auf dem Kolloquium vorgestellte Schaeffler Mover verschmelzen sogar den Antriebsstrang mit dem Fahrwerk und bieten mit dem „Rolling Chassis“ als Basis völlig neue Möglichkeiten für die Mobilität von Morgen.
Weder bei den im Straßenverkehr zum Einsatz kommenden Energieträgern noch bei den Antrieben oder Fahrzeugkonzepten existiert ein einheitlicher technischer Weg in die Mobilität der Zukunft. Das anspruchsvolle Ziel, konsequenten Klimaschutz zu betreiben und gleichzeitig Mobilität als Basis gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung zu erhalten, ist nur zu erreichen, wenn mehrere Wege parallel beschritten werden. Als technisch innovativer Partner der gesamten Automobil- und Mobilitätsindustrie ermöglicht Schaeffler diese neue Vielfalt.
Teilen
Die Digitalversion des Tagungsbandes des Schaeffler-Kolloquiums 2018 „Mobilität für morgen“
Sie haben Interesse an dem gedruckten Tagungsband? Bitte senden Sie eine Mail an kolloquium2018@schaeffler.com
Aktuelle Infos zu Schaeffler finden Sie unter www.schaeffler.com/de
Einen anderen Lösungsansatz für die Entzerrung des Verkehrs bietet ein „People Mover“, auch „Robo Cab“ oder „Robo Taxi“ genannt. Darunter wird im allgemeinen ein autonomes und elektrifiziertes Fahrzeug verstanden, das heutige Car-Sharing-Konzepte primär im urbanen Umfeld ersetzt. Zunächst werden diese Mobilitätslösungen in abgetrennten Arealen zum Einsatz kommen und später auf den öffentlichen Verkehrsraum ausgeweitet. Studien zufolge können durch die rasanten Fortschritte beim autonomen Fahren diese Mobilitätsangebote rasch und in großer Zahl auf den Markt gebracht werden [4, 5]. Die Metropolen Südostasiens (zum Beispiel Singapur) bieten hierfür ideale Bedingungen. Eine Infrastruktur für People Mover entsteht dort bereits, zugleicht steht die Gesellschaft der Idee einer „Sharing Economy“ offen gegenüber. Aller Voraussicht nach werden diese Konzepte den öffentlichen Nahverkehr ergänzen oder womöglich sogar gänzlich ablösen.
Auf dem Kolloquium 2018 feiert die Studie „Schaeffler Mover“ als technische Basis für ein solches Mobilitätskonzept ihre Premiere. Das konsequent auf vernetzten Betrieb ausgelegte Fahrzeug, das bis zu vier Personen transportieren kann, füllt eine wesentliche Lücke im Portfolio der Automobilindustrie. Der Schaeffler Mover ermöglicht eine Trennung des Aufbaus von der Fahrzeugplattform. Der Aufbau, der für die jeweils gewünschte Anwendung umgerüstet werden kann, lässt sich rasch von der Plattform separieren, in der die gesamte für das Fahren benötigte Technik gebündelt ist. Lediglich die für das autonome Fahren benötigte Sensorik ist teilweise in den Aufbau integriert. Den Kern der Plattform stellen vier „Schaeffler Intelligent Corner Modules“ dar, die alle Antriebs- und Fahrwerkskomponenten in einer Baueinheit zusammenfassen: Radnabenmotor, Radaufhängung inklusive Federung und den Aktor für die elektromechanische Lenkung [6].
Bereits 2013 hatte Schaeffler mit der Entwicklung des Radnabenmotors im Rahmen des Forschungsprojekts MEHREN Weitblick gezeigt. Damals wurde ein Ford Fiesta als Demonstratorfahrzeug genutzt, um die raumökonomischen und funktionalen Vorteile eines Radnabenmotors zu demonstrieren [7]. Eine Variante des damals entwickelten Motors kommt nun im Schaeffler Mover zum Einsatz.
Das Ziel ist definiert. Um die Erderwärmung auf 1,5 bis 2 °C zu begrenzen, hat sich die internationale Staatengemeinschaft verpflichtet, die vom Menschen verursachten CO₂-Emissionen drastisch zu verringern. Rund 70 Prozent der globalen CO₂-Emissionen werden durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe verursacht [8]. Zu erreichen ist das Zwei-Grad-Ziel zu akzeptablen Kosten daher nur, wenn bis zum Jahr 2030 die Energiewende in allen Sektoren eingeleitet ist [9].
Der Verkehrssektor stellt weltweit eine bedeutende Quelle für anthropogene CO₂-Emissionen dar. Der Anteil, den der Straßenverkehr an den Gesamtemissionen entwickelter Volkswirtschaften aufweist, betrug 2016 im OECD-Durchschnitt 25,6 % [10]. Die Schwankungsbreite ist dabei erheblich, sie hängt unter anderem von politischen Vorgaben, volkswirtschaftlichen Strukturen und nicht zuletzt geographischen Gegebenheiten ab. Doch selbst in Staaten, in denen Initiativen zu erhöhter Energieeffizienz sowie zur Umstellung auf regenerative Energieträger weit vorangeschritten sind, entzieht sich der Verkehrssektor bislang weitgehend der CO₂-Minderung. So ist es in Deutschland im Zeitraum zwischen 1990 und 2015 gelungen, die in CO₂-Äquivalente umgerechneten Emissionen aller Sektoren um 27 % zu verringern. Besonders stark fiel die Einsparung im Gebäudebereich (-34 %) und in der Industrie (-32 %) aus. Der Verkehrssektor hingegen konnte nur eine Reduktion um 2 % aufweisen – die sich per Ende 2016 sogar auf 0 % verschlechterte. Da sich der streckenbezogene Kraftstoffverbrauch einzelner Fahrzeuge nachweislich im selben Zeitraum deutlich verringerte, ist die unverminderte Emissionshöhe vor allem auf die erhöhte Nachfrage nach Personen- und Warentransport zurückzuführen. Auch künftig wird die Verkehrsleistung ansteigen: Bezogen auf das Basisjahr 2010 wird bis zum Jahr 2030 ein Anstieg der Personenkilometer im motorisierten Individualverkehr um 12,9 % prognostiziert, während die Tonnenkilometer im Güterverkehr um 16,8 % steigen sollen [11]. Gemessen an diesem eher moderaten Zuwachs in Deutschland ist in Weltregionen mit dynamischem Wirtschaftswachstum eine geradezu explosionsartige Zunahme des Straßenverkehrs zu erwarten. Einer Prognose von Shell zufolge verdoppelt sich der Welt-Pkw-Bestand bis zum Jahr 2050 auf rund zwei Milliarden Fahrzeuge [12].
Um die ehrgeizigen Klimaziele von Paris zu erreichen, muss ein wesentlicher Umbruch bei den zukünftigen Antriebsstrangtechnologien geschehen. Basierend auf Marktanalysen und eigenen Berechnungen hat Schaeffler ein Szenario entwickelt, bei dem im Jahr 2030 folgende Marktanteile auf die unterschiedlichen Antriebsarten entfallen:
• Nahezu 30 % der produzierten Pkw werden ausschließlich mit einem rein elektrischen Antrieb ausgestattet sein. Bei einem jährlichen Welt-Produktionsvolumen von 120 Millionen Einheiten entspricht das 36 Millionen E-Fahrzeugen. Zum Vergleich: 2016 wurden laut Internationaler Energie-Agentur weltweit rund 750.000 batterieelektrische Fahrzeuge neu zugelassen [13].
• 40 % des Produktionsvolumens entfallen auf Hybridfahrzeuge
• In den verbleibenden 30 % der Fahrzeuge dient allein ein Verbrennungsmotor als Antriebsquelle.
Dies ist natürlich nur ein Szenario von vielen, das genauso wahrscheinlich nicht eintreten wird. Dennoch zeigt es auf, in welche Richtung sich die zukünftigen Antriebsstränge entwickeln werden.
Bei der CO₂-Betrachtung dürfen aber nicht nur die Emissionen während der Nutzungsphase betrachtet werden, sondern auch die Anteile, die für die Bereitstellung der Energie und die Herstellung des Fahrzeugs einschließlich des Antriebs und elektrischem Energiespeicher generiert werden. Die Energiekette kann man daher in folgende drei Sequenzen unterteilen, wobei langfristige Lösungen hinsichtlich aller Teile inklusiver ihrer Wechselwirkung optimiert werden müssen:
Tank to Wheel
Für diesen Anteil an den CO₂-Emissionen ist der Verbrennungsmotor verantwortlich. Die vom Gesetzgeber geforderten Zielwerte für 2030 sind allerdings allein durch Optimierung des Verbrennungsmotors nicht zu erreichen. Ergänzend werden elektrische Fahranteile und Rekuperation durch Hybridisierung benötigt. Dennoch wird auch der verbrennungsmotorische Antriebsstrang weiter entwickelt, um die CO₂- und Schadstoff-Emissionen in den durch WLTC und RDE erweiterten Betriebskennfeldern reduzieren zu können. Ein spezifischer Kraftstoffverbrauch von 200 g/kWh für Ottomotoren und damit ein Wirkungsgrad von circa 45 % scheinen erreichbar zu sein. Diesen Wert hat der Dieselmotor schon erreicht; hier wird es darum gehen, die Schadstoffemissionen unter die Grenzwerte zu bekommen, ohne dabei den Wirkungsgrad massiv zu verschlechtern. Und schließlich bietet Erdgas das Potential, die CO₂-Emissionen im Vergleich zum Benzinbetrieb um circa 25 % zu reduzieren. Die Herausforderung liegt hier weniger in der Fahrzeugtechnik als vielmehr im Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur, um das Potential durch entsprechende Käuferakzeptanz zu entfalten.
Well to Tank
Betrachtet man die durch den Einsatz von Fahrzeugen verursachten Treibhausgas-Emissionen ganzheitlich, so sind auch alle durch die Energiebereitstellung direkt oder indirekt verursachten Emissionen zu berücksichtigen und auf den gefahrenen Kilometer umzurechnen. Fossile Energieträger haben hierbei in der Regel eine sehr günstige Bilanz, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass zwar chemische Raffinerie-Prozesse, nicht aber eine Umwandlung von einer Energieform in die andere notwendig ist. Um regenerativ gewonnenen Strom im Verkehrssektor einzusetzen, ist es daher rein aus Sicht des Wirkungsgrades zunächst sinnvoll, ihn möglichst direkt zu verwenden, sprich in batterieelektrischen Fahrzeugen. Bei einer Umwandlung in chemisch gebundene Energie ist entsprechend der Zahl der Schritte sowie der sich multiplizierenden Wirkungsgrade theoretisch folgende Reihenfolge zu bevorzugen:
1. Per Elektrolyse erzeugter Wasserstoff und dessen Nutzung in der Brennstoffzelle (ein Weg, der vor allem in Japan mit ersten Brennstoffzellen-Serienfahrzeugen bereits beschritten wird)
2. Synthetisch erzeugte gasförmige oder flüssige Kraftstoffe, von denen E-Methan als Erdgasersatz – in beliebiger Menge beizumischen – den Energieträger mit den geringsten Wirkungsgradverlusten in der Erzeugung darstellt.
In der Praxis ist jedoch nicht nur die Frage nach dem bestmöglichen Wirkungsgrad relevant, sondern auch die Einsetzmöglichkeit einer bestimmten Kombination von Energieerzeuger, Energiespeicher und Energieträger. Wo sich zum Beispiel das Betriebsprofil eines Fahrzeugs, etwa durch sehr große zurückgelegte Strecken und nur sehr kurze Tankstopps einer Elektrifizierung entzieht, ist es sinnvoll, über alternative Wege zum Nullemissionsziel nachzudenken. Grundsätzlich steht die regenerativ erzeugte Energie nicht immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung, so dass sich die Wandlung in alternative Energieträger wie Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe als sinnvolle Lösung anbietet. Inwieweit dabei Biokraftstoffe der zweiten Generation – also ohne Konkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung – eine Rolle spielen, ist Bestandteil eines derzeit geführten gesellschaftlichen Diskurses.
Herstellung und Entsorgung
Anders als bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor hat bei batterie-elektrischen Fahrzeugen die Herstellung des Energiespeichers einen gravierenden Einfluss auf die Gesamtemissionsbilanz. Diese wird mithilfe von Lebenszyklusanalysen erfasst, die Stoff- und Energieströme in Herstellung und Entsorgung aller Antriebskomponenten berücksichtigen. Wendet man eine solche Analyse bei dem aktuell in Deutschland herrschenden Strommix auf ein Elektrofahrzeug an, so ist in einer Cradle-to-Grave-Betrachtung der energetische Mehraufwand für die Herstellung erst bei über 150.000 km im Vergleich zu einem Dieselfahrzeug ausgeglichen [14]. Dabei hat die Größe der Batterie einen entscheidenden Einfluss, wann genau dieser Schnittpunkt durchschritten wird. Wenn der Anteil regenerativer Energien an der Stromproduktion bis zum Jahr 2030 massiv ausgebaut wird, kann das Elektrofahrzeug in der Gesamtklimabilanz allerdings deutlich früher besser abschneiden [15].
In diesem Umfeld plant Schaeffler mit dem bereits geschilderten Szenario, nachdem im Jahr 2030 rund 30 % aller Fahrzeuge vollständig elektrifiziert sind und 30 % allein mit einem Verbrennungsmotor betrieben werden. Die restlichen 40 % verteilen sich auf unterschiedliche Hybridvarianten. Neben der Entwicklung der richtigen technischen Lösungen für dieses Szenario wird der Fokus auch weiterhin auf der Beobachtung der folgenden Trends liegen:
• Weiterentwicklung von Speichertechnologien
• Verfügbarkeit der benötigten Rohstoffe
• Aufbau der Produktions- und der Verteilinfrastruktur
• politische Förderung
• und nicht zuletzt der Entwicklung der Verkehrsnachfrage (quantitativ und qualitativ).
Nur durch die Kombination von innovativen Produktentwicklungen und realistischen Szenarien kann die Verkehrswende erfolgreich gestaltet werden.
[1] Neom: http://discoverneom.com, abgerufen am 1. Februar 2018
[2] Adrian Smith + Gordon Gill Architecture (Hrsg.): Great City Chengu Master Plan. 2012
[3] TomTom Traffic Index: https://www.tomtom.com/en_gb/trafficindex/, abgerufen am 19. Januar 2018
[4] Roland Berger (Hrsg.): Focus – Urbane Mobilität 2030: zwischen Anarchie und Hypereffizienz. 2017
[5] Roland Berger (Hrsg.): A CEO agenda for the (r)evolution of the automotive ecosystem, 2016
[6] Harkort, Ch.; et al.: Schaeffler Intelligent Corner Module: Mobil in der Stadt von morgen – Die Verschmelzung von Antrieb und Chassis. 11. Schaeffler-Kolloquium, Baden-Baden, 2018
[7] Eckert, A.; Eckstein, L.; Gutzmer, P.; van der Jagt, P.: Vorteile von elektrischen Radnabenantrieben im Hinblick auf Raumeffizienz und Fahrdynamik. In: MTZ 79 (2018), Nr. 6
[8] International Energy Agency (Hrsg.): CO₂ Emissions from Fuel Combustion. Paris, 2017
[9] United Nations Environment Programme (Hrsg.): The Emissions Gap Report. Nairobi, November 2017
[10] Warnecke, W.; Gutzmer, P.: Mobility of the Future : Integrated View of Energy and Powertrain Options. 16th International CTI Symposium, Berlin, 2017
[11] BMVI (Hrsg.): Verkehrsverflechtungsprognose 2030. Berlin, 2014
[12] Warnecke, W.; Gutzmer, P.: Mobility of the Future : Integrated View of Energy and Powertrain Options. 16th International CTI Symposium, Berlin, 2017
[13] International Energy Agency (Hrsg.): Global EV Outlook 2017
[14] Helms, H.; et al.: Weiterentwicklung und vertiefte Analyse der Umweltbilanz von Elektrofahrzeugen. Studie im Auftrag des Bundesumweltamtes. Dessau, 2016
[15] Helms, H.; et al.: Weiterentwicklung und vertiefte Analyse der Umweltbilanz von Elektrofahrzeugen. Studie im Auftrag des Bundesumweltamtes. Dessau, 2016
Effizient unterwegs
Mit Serienlösungen für moderne Fahrzeugarchitekturen leistet Schaeffler einen Beitrag dazu, die Schadstoffbelastung in Städten zu senken. Die Produktpalette reicht vom Thermomanagementmodul über die Steuerung der Motorventile bis hin zu 48-Volt-Hybridtechnologien und elektrischen Kupplungssystemen.
Elektrifiziert in die Zukunft
Mit ganzheitlichen Lösungen ermöglicht Schaeffler rein elektrische Antriebstechnologien, wie beispielsweise elektrische Achsen und Hochvolt-Hybridmodule.
Schaeffler Mover
Der Schaeffler Mover mit Radnabenantrieb bietet eine Plattform für unterschiedlichste Fahrzeugkonzepte. Die Antriebs- und Fahrwerkskomponenten sind platzsparend in einer Einheit zusammengefasst. Dies ermöglicht eine 90°-Lenkung und bietet maximalen Platz im Innenraum. Optimal für autonome und elektrifizierte Mobilitätslösungen wie Robotertaxis oder Transportfahrzeuge.
E-Board
Das ideale Fortbewegungsmittel vom Parkplatz bis ins Büro glänzt mit seinen handlichen Ausmaßen und einer Reichweite von 25 km.
Bio-Hybrid
Das kompakte Fahrzeug bietet mit vier Rädern und elektrischem Antrieb – wie bei einem Pedelec – hohe Fahrdynamik, Spurstabilität und einen Wetterschutz. Das Konzept ist als Plattform ausgelegt, sodass neben einer Personenvariante auch Aufbauten, wie zum Beispiel eine Cargo-Version, möglich sind.
Teilen