Nockenwellenversteller
Schnell und präzise
Andreas Thölke
II. Hydraulische Nockenwellenverstellsysteme
III. Elektrischer Phasensteller
IV. Eigenschaften des elektromechanischen Phasenstellers
V. Komfortsteigerung durch den elektromechanischen Phasensteller
[1]. Mit der Einführung von Hybrid- und Stopp-Startsystemen gewinnt der Motorstart aufgrund der höheren Anzahl von Verbrennungsmotorstarts zunehmend an Bedeutung. Da der Motorstart sehr emissionskritisch ist, stellt die flexible und exakte Einstellung der Steuerzeiten eine besonders effiziente Maßnahme zur Emissionsreduzierung dar.
Bislang sind Systeme für die variable Nockenwellenverstellung eine Domäne der Ottomotoren. Aber auch bei Dieselmotoren sind Motorkonzepte mit einem Nockwellenversteller umgesetzt. Dabei geht es vor allem um eine Emissionsreduzierung durch ein spätes Schließen der Einlassventile und damit ein verringertes effektives Verdichtungsverhältnis.
Bild 1 Aufbau eines hydraulischen Nockenwellenverstellers
Der Ölfluß wird über ein Proportionalventil gesteuert. Zusammen mit Lagewinkelsensoren an Kurbelwelle und Nockenwelle bildet das System einen geschlossenen Regelkreis. So können alle Verstellwinkel kontinuierlich eingestellt werden. Das hydraulische Konzept ist robust und hat sich in unzähligen Anwendungen bewährt. Allerdings stößt es mit den künftig weiter steigenden Verbrauchs- und Emissionsanforderungen an technische Grenzen. Beispielsweise ist die Verstellung an den Motoröldruck gebunden, der von der zentralen Motorölpumpe aufgebaut wird. Um den Kraftstoffverbrauch zu verringern, wird bei modernen Motoren immer mehr Wert auf eine hohe Effizienz der peripheren Motorsysteme gelegt. Das betrifft auch den Schmierkreislauf: Der Öldruck wird reduziert, um den Energiebedarf der Ölpumpe zu senken. Bild 2 zeigt als Beispiel den Öldruck verschiedener Generationen einer Motorfamilie von 2004 bis 2016.
Bild 2 Öldruck verschiedener Generationen einer Motorfamilie von 2004 (dunkelgrün) bis 2016 (hellrot)
Bei der aktuellen Motorversion von 2016 liegt der Öldruck teilweise nur noch bei zirka 1 bar, sodass die erforderlichen Verstellgeschwindigkeiten im transienten Betrieb schwieriger zu erreichen sind. Das wird künftig kritischer, da der 2017 in der EU für den Emissionstest neu eingeführte Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Cycle (WLTC) einen sehr viel größeren Drehzahl- und Lastbereich des Motors abdeckt und mehr Dynamikanteile mit hoher Beschleunigung enthält als der bisherige Neue Europäische Fahrzyklus (NEFZ). Diese erhöhte Dynamik erfordert deutlich mehr Stellvorgänge. Jede Abweichung vom Zielwinkel kann zu einer Erhöhung der Rohemissionen führen.
Im abgestellten Zustand baut der Verbrennungsmotor keinen Öldruck für die Nockenwellenverstellung auf. Da auch unmittelbar nach Start des Motors kein oder zu wenig Öldruck vorhanden ist, um den Versteller zu betätigen, wird dieser nach dem Abstellen in einer Ruheposition verriegelt. Deshalb ist mit hydraulischen Phasenstellern für den Motorstart nur eine vordefinierte Steuerzeit darstellbar, die nicht auf die momentanen Betriebsbedingungen des Motors adaptierbar ist. Mit der Einführung von Stopp-Start-Funktionen, die den Verbrennungsmotor bei stehendem Fahrzeug, etwa an einer roten Ampel, abstellen und beim Anfahren automatisch wieder anlassen, steigt die Anzahl der Motorwiederstarts im Fahrbetrieb. Um den Verbrauch und die Emissionen auch in diesen Situationen zu optimieren zu können, ist künftig ein Verstellsystem erforderlich, dass unterschiedliche Steuerzeiten für individuelle Startbedingungen realisieren kann.
Mit einem elektromechanischen Nockenwellenversteller (Electric Cam Phasing, ECP), Bild 3, den Schaeffler seit 2015 in Serie fertigt, wird eine vollständige Entkoppelung der Verstellung von Motorölkreislauf und Öldruck erreicht.
Bild 3 Der elektromechanische Nockenwellensteller
Beim elektrischen Nockenwellenverstellersystem verstellt ein bürstenloser E-Motor (brushless DC, BLDC) statt des hydraulischen Stellers den Phasenwinkel zwischen Kurbel- und Nockenwelle. Im Vergleich zu konventionellen Bürstenmotoren bieten BLDC-Antriebe einen größeren Wirkungsgrad und eine höhere Lebensdauer. Zusammen mit einem hochübersetzten Dreiwellen-Verstellgetriebe bildet der E-Motor eine Funktionseinheit. Das Getriebe besteht aus zwei Hohlrädern sowie einem ovalen Wälzlager der mit dem Flexring zusammen den Wellgenerator bildet, Bild 4.
Bild 4 Aufbau des Getriebes für den elektromechanischen Phasensteller
Der E-Motor ist mit einem ECP-Steuergerät verbunden, welches dessen Drehzahl regelt und die Hallsignale des E-Motors verarbeitet, Bild 5.
Bild 5 Systemaufbau des elektromechanischen Phasenstellers
Die im E-Motor integrierten Sensoren dienen der Positionserkennung des Rotors und der Temperaturüberwachung. Das ECP Steuergerät kommuniziert über CAN-Bus mit dem Motorsteuergerät und erhält so die Sollwinkelwerte der Nockenwelle, die es mit der Ist-Position abgleicht. Soll der Phasenwinkel verändert werden, baut die Abtriebswelle des Elektromotors eine Drehzahldifferenz zum Getriebegehäuse auf. Der elektromechanische Phasensteller wechselt zwischen den drei Betriebszuständen Frühverstellung, Halten des Phasenwinkels und Spätverstellung. Zur Verstellung in Richtung „früh“ dreht die Abtriebswelle schneller, in Richtung „spät“ langsamer als die Nockenwelle. Der Verstellwinkel wird konstant gehalten, indem die Abtriebswelle des Elektromotors mit Nockenwellendrehzahl rotiert.
Mit der zunehmenden Hybridisierung wird der verfügbare Bauraum im Motorraum der Fahrzeuge immer knapper. Deshalb wurde bei der Entwicklung ein besonderer Schwerpunkt auf die Schaffung einer möglichst kompakten elektrischen Aktuatorik gelegt.
Im ausgeführten Konzept passt der elektrische Phasensteller ohne Änderungen am Motor oder am Zylinderkopf in den Bauraum eines konventionellen hydraulischen Stellers, Bild 6.
Bild 6 Hydraulischer und elektromechanischer Nockenwellenversteller haben den gleichen Bauraumbedarf
Die modulare Austauschbarkeit ermöglicht einen problemlosen Wechsel zwischen hydraulischem und elektrischem Nockenwellenversteller und unterstützt Plattformkonzepte, bei denen die unterschiedlichen Varianten des Grundmotors mit verschiedenen Stellern ausgerüstet werden.
Die hohe Verstellgeschwindigkeit der elektromechanischen Aktuatorik ist nahezu unabhängig von Motordrehzahl und Motoröltemperatur. Somit ist auch die Betätigung bei Kaltstart und bei Motorstillstand gewährleistet. Bild 7 zeigt die Winkelgeschwindigkeit zweier aktueller hydraulischer Nockenwellenverstellsysteme und des elektrischen Stellers als Funktion der Motordrehzahl. Deutlich ist zu erkennen, dass die Verstellgeschwindigkeit des elektromechanischen Systems im relevanten Drehzahlbereich und speziell bei geringen Motordrehzahlen deutlich höher als die der hydraulischen Aktuatoren ist.
Bild 7 Verstellgeschwindigkeit verschiedener Nockenwellenverstellsysteme in Abhängigkeit von der Motordrehzahl.
Um die Leistungsfähigkeit der elektromechanischen Nockenwellenverstellung auch im realen Betrieb zu untersuchen, hat Schaeffler Tests mit einem Fahrzeug durchgeführt, dessen Motor von hydraulischen auf elektromechanische Nockenwellenversteller umgerüstet wurde. Dabei wurde untersucht, wie schnell die Nockenwellen von einer Ruhelage auf die für den Motorstart optimale Position verstellt werden können. Wie Bild 8 zeigt, stellen die Aktuatoren den gewünschten Phasenwinkel bereits vor der ersten Zündung des Verbrennungsmotors ein.
Bild 8 Steuerzeiteneinstellung mit einem elektromechanischen Nockenwellenversteller beim Motorstart
Dabei ist beim Motorstart die Einstellung jeder Steuerzeit möglich. Deutlich zu erkennen ist, dass der Ist-Wert des Verstellwinkels nahezu verzögerungsfrei dem vom Motorsteuergerät vorgegeben Soll-Wert folgt und dieser sehr präzise eingehalten wird.
Für Stopp-Start-Strategien bei Verbrennungsmotoren hat Schaeffler eine spezielle Unterstützungsfunktion entwickelt. Die elektronische Steuerung des Phasenstellers ist dabei auch bei stehendem Motor weiter aktiv, wertet die Daten der Positionssensoren aus und synchronisiert die Nocken- mit der Kurbelwellenstellung. Dabei werden die Steuerzeiten während des Motorstillstands zunächst auf einem voreingestellten Winkel gehalten und – abhängig von der Applikation – entweder vor oder direkt beim Motorstart sehr schnell auf Position gestellt. Bild 9 zeigt die Wirkungsweise der Funktion anhand von Messwerten aus Fahrzeugtests.
Bild 9 Verstellung der Nockenwelle beim Motorstart
Im oberen Teil des Bildes ist die Motordrehzahl (blau) aufgetragen. Ausgehend von der Leerlaufdrehzahl sinkt sie bei aktivierter Stopp-Start-Funktion auf null ab – der Motor steht. Die Verstellwinkel (rote Kurve im unteren Teil des Bildes) der Nockenwelle wird in dieser Situation zunächst gehalten. Dies ist ein aktiver, vom Controller geregelter Vorgang, der beispielsweise auch ein geringfügiges Zurückdrehen der Kurbelwelle berücksichtigt und die Ventilsteuerzeiten entsprechend anpasst. Im Beispiel gibt das Motorsteuergerät innerhalb der Standzeit einen neuen Soll-Winkel der Nockenwellen vor. Das ECP-Steuergerät wurde so kalibriert, dass sobald eine Drehzahlschwelle der Kurbelwelle überschritten wird, der Stellvorgang in Richtung Zielwinkel gestartet wird. Die charakteristische Zeit zum Erreichen des Zielwinkels liegt hierbei unter 100 ms.
Die Einstellung der Ventilsteuerzeiten vor einem Startvorgang kann nicht nur zur Reduzierung der Emissionen genutzt werden, sondern auch zu einer Komfortverbesserung durch einen sanfteren Motorhochlauf. Dies ist bei der Umsetzung von Stopp-Start-Funktionen sowie bei der Hybridisierung, bei der der Verbrennungsmotor teilweise komplett abgestellt wird, von großer Bedeutung. Da die Kundenakzeptanz maßgeblich von einem komfortablen Motorwiederstart abhängt. Der theoretische Hintergrund des Effekts kann mithilfe des p-v-Diagramms erklärt werden, Bild 10.
Bild 10 Der Ladungswechsel im schematischen p-v-Diagramm: Wenn die Einlassventile später schließen, wird ein Teil der Ladung bei der Verdichtung wieder ausgestoßen, sodass weniger Luft komprimiert wird
Die rechte rote Markierung in Bild 10 kennzeichnet den normalen Schließzeitpunkt der Einlassventile. Durch eine Verstellung der Einlassnockenwelle in Richtung „spät“ wandert dieser Punkt auf der Verdichtungskurve nach links, sodass im Kompressionshub zunächst über die noch geöffneten Einlassventile angesaugte Luft zurückgeschoben wird. Sobald die Einlassventile schließen, beginnt der effektive Teil des Verdichtungshubes. Das effektive Verdichtungsverhältnis des Verbrennungsmotors wird reduziert. Ein sanfterer Motorstart ist die Folge.
Zur Bewertung der Wirkung verschiedener Einlassschluss Steuerzeiten wurden Simulationen durchgeführt, Bild 11. Im Diagramm werden Drehhochlaufkurven des Verbrennungsmotors für verschiedene Einlasssteuerzeiten aufgeführt. Die hellrote Kurve repräsentiert eine Einlasssteuerzeit von 60 °KW. Das ist ein typischer Wert, der bei heutigen hydraulischen Verstellsystemen in der Startphase des Motors fest eingestellt ist. Die Hochlaufkurve bei einer Einlasssteuerzeit von 110 °KW ist in schwarz eingezeichnet. Deutlich ist zu erkennen, dass die durch die Verbrennung verursachten Drehzahlspitzen und damit auch die resultierenden Luft- und Köperschallemissionen abgemildert sind. Im Gegensatz dazu führen sehr frühe Steuerzeiten (grün) zu einem deutlichen Anstieg des Zünddrucks und damit der Drehzahlamplituden; diese Strategie ist für eine komfortorientierte Applikation nicht sinnvoll und kann sogar zu Schäden am Zweimassenschwungrad führen.
Nachteil der Einlass-Spätverstellung beim Anlassen des Motors ist, dass der Startvorgang länger dauert, weil aufgrund reduzierten Drehmomentes die Leerlaufdrehzahl erst später erreicht wird. Wie aus Bild 11 hervorgeht, ist dies umso ausgeprägter, je weiter die Einlassnockenwelle auf „spät“ gestellt ist. Bei der NVH-optimierten Steuerzeit von 110 °KW (schwarze Kurve) würde es fast 1 s dauern, bis der Motor betriebsbereit ist. Dies kann bei Stopp-Start-Applikationen zu Verzögerungen des Startvorgangs führen. Einen Weg, einen sanften und gleichzeitig schnellen Motorstart zu erreichen, zeigt Bild 12.
Bild 11 Drehzahlhochlauf im Startvorgang bei verschiedenen
Phasenstellwinkeln
Bild 12 Vergleich verschiedener Startwinkel mit Stellvorgang nach früh
Dabei verstellt die Aktorik wie beim Ansatz in Bild 11 die Nockenwelle vor dem Start des Motors auf eine „späte“ Position. Anders als bei der ersten Simulation verharrt sie jedoch nicht bei dieser Steuerzeit, sondern wird noch vor der ersten Zündung kontinuierlich auf „früh“ zurückgestellt. Im Bild 12 ist auf der Ordinate dazu neben der Motordrehzahl die momentane Steuerzeit in Abhängigkeit vom Kurbelwinkel aufgetragen. Wie an der schwarzen Kurve zu erkennen ist, wird damit, ausgehend von 110 °KW ursprünglicher Verstellung, bei der zweiten Zündung 90 und bei der dritten 70 °KW erreicht. Die Zeit bis zum Leerlaufdrehzahl-Niveau von 800/min verkürzt sich so von 1,0 auf rund 0,6 s. Nach wie vor verläuft der Start äußerst sanft, da die besonders NVH-kritischen ersten Zündungen bei „später“ Nockenposition erfolgen. In den Simulationen hat Schaeffler unterschiedliche Verstellgeschwindigkeiten bis 800 °KW/s untersucht. Dabei hat sich ein Wert von 200 °KW/s als ideal herauskristallisiert. Dieser liegt auch den Kurvenverläufen in Bild 12 zugrunde.
Neben dem Start ist auch das Abstellen des Motors im Stopp-Start-Betrieb komfortrelevant. Wie Schaeffler durch Versuche nachgewiesen hat, kann auch die Auslaufphase des Motors durch das oben beschriebene Verfahren optimiert werden. In Bild 13 sind die Ergebnisse von Prüfstandsmessungen an einem nicht mehr gezündeten Motor mit einer Spätverstellung der Einlasssteuerzeit dargestellt. Während die Ursprungsapplikation mit unveränderten Steuerzeiten erhebliche Beschleunigungsamplituden verursacht (rot), sind diese bei einer späten Steuerzeit gänzlich verschwunden (blau).
Bild 13 Mit einer Einlassnockenwellenverstellung reduzieren sich die Beschleunigungsamplituden beim Auslaufen des Verbrennungsmotors
Seit 2015 fertigt Schaeffler das elektromechanische Nockenwellenverstellersystem in Serie und entwickelt es kontinuierlich weiter. Ein vielversprechender Optimierungsansatz ist der sensorless BLDC Motorbetrieb. Damit verbunden können Bauelemente im ECP-E-Motor und der Aufwand für den Kabelbaum reduziert werden.
Hiermit wird der Bauraumbedarf des ECP-E-Motors nochmals verringert und sein zulässiger Umgebungstemperaturbereich erweitert, da hitzeempfindliche Bauteile wegfallen. Die Integration des Phasenstellers in den Zylinderkopf wird abermals vereinfacht. In der technischen Umsetzung wird die für die Rotorlage notwendige Hall-Sensorik durch eine Spannungs- und Strommessung an den Phasen des Elektromotors ersetzt. Ein bekannter Ansatz dafür nutzt die gegenelektromotorische Kraftkonstante (BEMF, Back-EMF): Wenn sich der Motor dreht, induziert er ein quasi-sinusförmige Spannung. Aus der Lage des Nulldurchgangs der Spannung lässt sich die momentane Position des Rotors ermitteln. Allerdings funktioniert diese Methode erst ab E-Motordrehzahlen von 350/min zuverlässig. Für geringere Drehzahlen setzt Schaeffler daher die sogenannte Impulsmethode ein. Dabei wird ein kurzer Stromimpuls auf die Phase aufgeschaltet. Je nach Position des Rotors ändert sich die Induktivität im Motor, die wiederum den durch den Stromimpuls initiierten Stromanstieg beeinflusst. Aus diesem Wert lässt sich die Rotorstellung im Motor berechnen. Bild 14 zeigt, wie beide Methoden beim elektromechanischen Phasensteller kombiniert werden.
Bild 14 Vereinfachtes elektromechanisches Nockenwellenverstellerkonzept ohne motorintegrierte Sensorik
Auf der Abszisse in Bild 15 ist die Drehzahl des Verbrennungsmotors aufgetragen. Da der Verbrennungsmotor die Nockenwelle mit einem festen Übersetzungsverhältnis von 1:2 antreibt, ist das auch gleichsam ein Maß für die Nockenwellendrehzahl. Die Ordinate zeigt die Drehzahl des ECP-Motors. Die vertikale graue Linie markiert die Leerlaufdrehzahl des Verbrennungsmotors. Die weiße Diagonale im Diagramm spiegelt den Zustand wider, bei dem Elektromotor und Nockenwelle mit identischer Geschwindigkeit rotieren und daraus folgend kein Verstellwinkel eingestellt ist. Der dunkelgrüne Balken darüber zeigt den Bereich der Steuerzeit-Vorverstellung, der Elektromotor dreht dabei schneller als die Nockenwelle. Der hellgrüne Bereich unter der weißen Linie umfasst eine Phasenverstellung nach „spät“, bei der der Elektromotor langsamer als die Nockenwelle läuft. Es ist erkennbar, dass große Teile der Startphase des Verbrennungsmotors bis in den Bereich der Leerlaufdrehzahl hinein mit der Impulsmethode abgedeckt werden. Bei höheren Drehzahlen wird auf die BEMF-Methode umgeschaltet. In diesen Betriebsbereichen ist das Impuls-Verfahren ungeeignet, weil die Bestimmung der Rotorposition zu lange dauert, um bei hohen Drehzahlen exakte Ergebnisse zu liefern.
Bild 15 BEMF- und Impulsmethode zusammen decken den gesamten Drehzahlbereich des Stellmotors ab
Nockenwellenversteller werden bei immer mehr Ottomotoren entweder nur auf der Einlass- oder auf Einlass- und Auslassseite eingesetzt, um Leistung und Drehmoment zu steigen und die Rohemissionen zu senken. Immer geringerer Öldruck sowie steigende Anforderungen an die Verstellung führen dazu, dass das etablierte Nockenwellenverstellerkonzept mit hydraulischer Aktuatorik an ihre Grenzen stößt. Seit 2015 liefert Schaeffler ein elektromechanisches Verstellsystem, das die technischen Möglichkeiten erheblich erweitert. Einerseits ist die Verstellgeschwindigkeit des elektromechanischen Nockenwellenverstellers höher die eines herkömmlichen hydraulischen Aktuators, andererseits ist sie nahezu unabhängig von Motordrehzahl und Motoröltemperatur. Somit ist auch die Betätigung bei Kaltstart und bei Motorstillstand gewährleistet. Damit können die Ventilsteuerzeiten schon vor dem Startvorgang des Verbrennungsmotors eingestellt werden. Das führt nicht nur zu weniger Emissionen, sondern auch zu einem Komfortgewinn durch einen sanfteren Motorhochlauf. Dies ist bei der Umsetzung von Start-Stopp-Funktionen sowie von Hybridisierungen, bei denen der Verbrennungsmotor teilweise komplett abgestellt wird, von großer Bedeutung.
Aktuelle Weiterentwicklungen des elektromechanischen Phasenstellers von Schaeffler umfassen den Entfall der E-Motor Hall-Sensoren, die die Position des Rotors ermittelten, inklusive der zugehörigen Elektronik, der elektrischen Leitungen und Stecker sowie der Ventilation für die Sensorik.
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Aktuelle Infos zu Schaeffler finden Sie unter www.schaeffler.com/de
Aufgrund der sich weltweit immer weiter verschärfenden Emissionsnormen wird die Reduzierung der Schadstoffe neben dem Kraftstoffverbrauch auch in Zukunft ein Hauptaspekt bei der Weiterentwicklung von Verbrennungsmotoren bleiben. Neben der Abgasnachbehandlung ist die innermotorische Reduktion von Schadstoffen ein zentraler Baustein der Emissionskonzepte für Verbrennungsmotoren. Die Optimierung des Ladungswechsels hat dabei eine besondere Bedeutung, da er die Verbrennung und damit Verbrauch und Emissionen stark beeinflusst. Da Verbrennungsmotoren für Fahrzeuge nicht stationär, sondern in einem Kennfeld betrieben werden, muss der Ladungswechsel auf die jeweiligen Kennfeldsituationen angepasst werden. Nockenwellenverstellsysteme haben sich dafür als adäquates Mittel seit Jahren durchgesetzt, da mit ihnen die Ventilsteuerzeiten und damit der Ladungswechsel dem jeweiligen Kennfeldpunkt angepasst werden können. Im transienten Betrieb, das heißt beim Übergang auf einen anderen Betriebspunkt im Kennfeld, muss das Verstellsystem dazu möglichst schnell auf die neue Steuerzeit wechseln. Wenn die Verstellgeschwindigkeit nicht ausreicht, ist ein Eingriff in Zündung und Einspritzung erforderlich, das führt jedoch in der Regel zu Nachteilen beim Verbrauch. Gefordert werden derzeit Verstellgeschwindigkeiten bis zu 500° KW/s. Sofern die Auslassventile von einer eigenen verstellbaren Nockenwelle betätigt werden, eröffnet sich die Möglichkeit einer internen Abgasrückführung zur Senkung von Rohemissionen und Verbrauch. Dazu muss der Nockenwelleversteller die vorgegebene Steuerzeit beider Nockenwellen möglichst genau umsetzen. Angestrebt wird eine maximale Abweichung von weniger als 1 °KW des im Kennfeld hinterlegten Sollwerts [1]. Mit der Einführung von Hybrid- und Stopp-Startsystemen gewinnt der Motorstart aufgrund der höheren Anzahl von Verbrennungsmotorstarts zunehmend an Bedeutung. Da der Motorstart sehr emissionskritisch ist, stellt die flexible und exakte Einstellung der Steuerzeiten eine besonders effiziente Maßnahme zur Emissionsreduzierung dar.
Bislang sind Systeme für die variable Nockenwellenverstellung eine Domäne der Ottomotoren. Aber auch bei Dieselmotoren sind Motorkonzepte mit einem Nockwellenversteller umgesetzt. Dabei geht es vor allem um eine Emissionsreduzierung durch ein spätes Schließen der Einlassventile und damit ein verringertes effektives Verdichtungsverhältnis.
Aktuelle Nockenwellenverstellsysteme arbeiten in der Regel mit hydraulisch betätigten Schwenkmotoren, Bild 1. Der innere Teil des Nockenwellenverstellers besteht aus einem Rotor in Drehflügelbauweise, der mit der Nockenwelle fest verbunden ist. Der äußere Teil (Stator) wird über eine Kette, einen Riemen oder Zahnräder von der Kurbelwelle angetrieben. Segmente im Stator und Flügel am Rotor bilden Ölkammerpaarungen. Wird Öl aus dem Ölkreislauf des Motors in die Kammern oder von dort zurückgeleitet, verdreht sich die Nockenwelle gegenüber der Kurbelwelle [2].
Der Flexring des Wellgenerators ist über das erste Hohlrad mit dem Kettenrad und über das zweite Hohlrad mit der Nockenwelle verbunden. Das Abtriebshohlrad verfügt über zwei Zähne mehr als das Anriebshohlrad. Der Wellgenerator drückt den verzahnten Flexring in die beiden Hohlradverzahnungen. Wird der Wellgenerator gedreht, entsteht aufgrund der unterschiedlichen Zähneanzahl der Hohlräder die Übersetzung des Getriebes [3].
Der E-Motor ist mit einem ECP-Steuergerät verbunden, welches dessen Drehzahl regelt und die Hallsignale des E-Motors verarbeitet, Bild 5.
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Im oberen Teil des Bildes ist die Motordrehzahl (blau) aufgetragen. Ausgehend von der Leerlaufdrehzahl sinkt sie bei aktivierter Stopp-Start-Funktion auf null ab – der Motor steht. Die Verstellwinkel (rote Kurve im unteren Teil des Bildes) der Nockenwelle wird in dieser Situation zunächst gehalten. Dies ist ein aktiver, vom Controller geregelter Vorgang, der beispielsweise auch ein geringfügiges Zurückdrehen der Kurbelwelle berücksichtigt und die Ventilsteuerzeiten entsprechend anpasst. Im Beispiel gibt das Motorsteuergerät innerhalb der Standzeit einen neuen Soll-Winkel der Nockenwellen vor. Das ECP-Steuergerät wurde so kalibriert, dass sobald eine Drehzahlschwelle der Kurbelwelle überschritten wird, der Stellvorgang in Richtung Zielwinkel gestartet wird. Die charakteristische Zeit zum Erreichen des Zielwinkels liegt hierbei unter 100 ms.
An die Betriebsbedingungen angepasste Steuerzeiten führen zu einer erheblichen Reduktion der Emission. Messungen an einem V6-Zylinder-Motor mit zwei einlassseitigen elektromechanischen Nockenwellenverstellern ergaben eine HC-Emissionsreduzierung von 16,7 % während der ersten 15 s des Motorlaufs im Zyklus [5].
[1] Dietz, J.; Busse, M.; Räcklebe, S.: Smart Phasing – Bedarfsgerechte Konzepte für Nockenwellen-Verstellsysteme. 10. Schaeffler Kolloquium, April 2014
[2] Solfrank, P.; Dietz, J.: Potenziale moderner Nockenwellen-Verstellsysteme. In: MTZ 77 (2016), Nr. 11
[3] Solfrank, P.; Dietz, J.: Potenziale moderner Nockenwellen-Verstellsysteme. In: MTZ 77 (2016), Nr. 11
[4] Ando, S.; Ishii, H.; Shikata, A.; Sui, T.: The New VR30DDTT Engine from Infiniti – Outstanding Power and Response Combined with Environmental Performance. 25. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik, 2016
[5] Ando, S.; Ishii, H.; Shikata, A.; Sui, T.: The New VR30DDTT Engine from Infiniti – Outstanding Power and Response Combined with Environmental Performance. 25. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik, 2016
Bild 6 Hydraulischer und elektromechanischer Nockenwellenversteller haben den gleichen Bauraumbedarf
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