Wälzgelagerte Kurbelwelle
Der Durchbruch der wälzgelagerten Kurbelwelle
Dr. Frank Schlerege
II. Tribologie im Verbrennungsmotor
III. Wälzlager im Verbrennungsmotor
Da der Verbrennungsmotor auch in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen wird, bleiben die heutigen Herausforderungen auch in Zukunft aktuell: Um den CO₂-Ausstoß der Fahrzeuge zu reduzieren, behält die Vermeidung von Reibungsverlusten einen großen Stellenwert; sie bietet nach wie vor einen Hebel zur CO₂-Reduzierung. Eine verbreitete Maßnahme ist das Downsizing, also die Hubraumreduzierung zur Effizienzsteigerung des Motors, welche zu einer höheren Belastung der Lagerstellen führen kann. Start-Stopp-Funktionen, die den Verbrennungsmotor abstellen, wenn er nicht benötigt wird, beispielsweise an einer roten Ampel, und bei der Weiterfahrt automatisch wieder starten, bewirken ebenfalls einen höheren Anteil der Mischreibung in den Gleitlagern des Verbrennungsmotors. Bei der P0-Hybridisierung wird im Riementrieb der Nebenaggregate ein Starter-Generator integriert. Dieser unterstützt den Verbrennungsmotor beim Start und Segeln. Die zum Teil erheblich höheren Riemenkräfte, in Kombination mit häufigen Startvorgängen, sorgen für eine weiter steigende Belastung des ersten Hauptlagers. In Summe nehmen die Festkörperkontakte in den Lagerstellen moderner Motoren deutlich zu.
In Verbrennungsmotoren sind an vielen Stellen hydrodynamische Gleitlagerungen verbaut. Bei ihnen sind der Reibungskoeffizient und damit die Reibung von der Relativgeschwindigkeit, Belastung und Viskosität im Schmierspalt abhängig. Wie aus der Stribeck-Kurve, Bild 1, ersichtlich ist, durchläuft ein hydrodynamisches Lager im Betrieb die drei Stationen Haft- bzw. Grenzreibung, Mischreibung und Flüssigkeitsreibung. Die drei Reibungszustände sind durch unterschiedliche physikalische Gesetzmäßigkeiten geprägt und bieten jeweils eigene Optimierungsmöglichkeiten.
Bild 1 Stribeck-Kurve mit den Bereichen Haftreibung, Mischreibung und Flüssigkeitsreibung
Die maßgeblichen, beeinflussenden Parameter sind:
• Haft-/Grenzreibung: Oberflächenrauigkeiten, Oberflächenadditive und Beschichtungen
• Mischreibung: Oberflächenrauigkeit, Additive (Oberfläche und Viskosität), Beschichtungen und Schmierspaltgeometrie
• Flüssigkeitsreibung: Ölviskosität, Betriebstemperatur, Additive (Scherrate bzw. Viskosität), Schmierspaltgeometrie und Ölmenge.
Generelle konstruktive Maßnahmen zur Reibungsreduktion sind einerseits die Optimierung der Massen und Verringerung der einwirkenden Kräfte und andererseits der Wechsel der Kontaktart von der Gleit- zur Wälzlagerung. Bild 2 zeigt die prinzipiellen Unterschiede eines Zylinderrollenlagers und eines Gleitlagers bei der gleichen Anwendung im Motorblock des gewählten Dreizylindermotors. Über der Lagerlast aufgetragen ist der Reibwert des jeweiligen Lagers. Der Reibwert des Wälzlagers ist in allen Lastbereichen geringer als der des Gleitkontakts und nimmt mit steigender Last ab.
Bild 2 Vergleich der Reibung eines Zylinderrollenlagers mit einem Gleitlager
Heute kommen Wälzlager im Verbrennungsmotorbereich etwa bei Riemenscheiben und Spannrollen des Nebenaggregatetriebs, Wasserpumpenlagern, Nocken- und Ausgleichswellen, Turboladern sowie Rollenschlepphebeln zur Anwendung, Bild 3. Im Kurbeltrieb von Pkw- und Nutzfahrzeugmotoren sind Gleitlagerungen nach wie vor Stand der aktuellen Technik, obwohl Wälzlager unter anderem bei den Motoren von Motorrädern, Schneemobilen, Außenbordern und Jet Skis erfolgreich eingesetzt werden. Auch in Pkw waren bis in die 1930er-Jahre hinein wälzgelagerte Kurbelwellen zu finden, wurden dann jedoch durch Gleitlagerungen ersetzt. Die Gründe liegen darin, dass Gleitlagerlösungen für Kurbelwellen extrem kostengünstig zu fertigen, einfach zu montieren und sehr robust sind. Die OEM und Gleitlagerhersteller verfügen über eine sehr große Erfahrung hinsichtlich des Verhaltens im dynamischen Betrieb bzgl. Reibung, Verschleiß und Ölversorgung. Zudem ist die Montage von Wälzlagern auf der Kurbelwelle mit zum Teil erheblichem Mehraufwand verbunden. In der Vergangenheit wurden zum Beispiel gebaute Kurbelwellen verwendet, deren Herstellung und Montage für die heutigen Großserienanwendungen als zu aufwendig erscheinen. Schaeffler hat sich in den letzten Jahren intensiv mit den Vor- und Nachteilen der jeweiligen Konstruktionen beschäftigt und Lösungen wie geteilte Außenringe und Käfige in Kombination mit Wälzlagerlaufbahnen direkt auf der Kurbelwelle entwickelt.
Bild 3 [1]
Welcher Ansatz zur Reibungs- und Verschleißreduzierung für die jeweilige Lagerstelle die richtigen Lösungsparameter bietet, muss im Rahmen der Entwicklung durch komplexe Simulations- und Testverfahren erarbeitet werden. Aufgrund des hohen Simulationsaufwands und der resultierenden langen Berechnungszeit besteht dabei ein ausgeprägter Zielkonflikt zwischen dem sinnvollen Detaillierungsgrad und der notwendigen Systemgrenze. Denn auf der einen Seite müssen die Zusammenhänge in der Lagerstelle so genau wie möglich abgebildet werden, um auf verwertbare Ergebnisse zu kommen. Auf der anderen Seite bestimmen die Randbedingungen des Gesamtsystems (Fahrweise, Peripherie, Elektrifizierung, Start-Stopp-System, Kraftstoff) das Ergebnis maßgeblich und dürfen nicht unberücksichtigt bleiben. Zudem spielen neben Konstruktions- auch Fertigungsaspekte eine Rolle, beispielsweise wenn eine Feinbearbeitung der Lagerstelle den späteren Einlauf vorwegnimmt.
Die zur Untersuchung der Wälzlagerung an der Kurbelwelle eingesetzte Entwicklungsmethodik ist auf die spezifischen Forschungsinhalte abgestimmt, Bild 4. Bei der Auslegung der Kurbelwellen-Wälzlagerung lassen sich dabei anhand einer Koppelung von Mehrkörper-Simulationsmodell (MKS-Modell), Berechnung der elastohydrodynamischen Schmierung sowie Ergebnissen mit der von Schaeffler hausintern entwickelten Software BEARINX zur Lagersimulation alle relevanten Parameter berücksichtigen beziehungsweise bestimmen. Das sind beispielsweise:
• Trägheits- und Rotationskräfte erster und zweiter Ordnung
• vollelastische Kurbelwellendynamik
• realistische Reaktionsmomente und -kräfte der Wälz- und Gleitlager
• Wechselwirkung zwischen Kurbelwellenbiegung und Lagerreaktionsmomenten
• Wechselwirkungen zwischen den Wälz- und Gleitlagern.
Bild 4 [1]
Darüber hinaus bietet BEARINX das Potenzial einer tiefgreifenden Analyse des Lagers selbst. Es liefert Ergebnisse zu:
• der realistischen Lastverteilung innerhalb des Lagers
• Schränkung und Kippung
• dem Profil von Rolle und Innenring
• der Kantenbelastung
• einer Lebensdauerabschätzung nach ISO/TS 16281.
Der Entwicklungsprozess startet mit der Auswahl eines Wälzlagers, das durch seine technischen Eigenschaften als grundsätzlich geeignet für den Anwendungsfall anzusehen ist. Durch BEARINX wird ein nichtlineares Steifigkeitsfeld des Lagers erstellt, aus dem unter anderem die Reaktionen des Lagers unter Schränkung und Biegung hervorgehen. Mit BEARINX ist die detaillierte Analyse von Wälzlagerungen möglich, da die Kontaktpressung an jedem einzelnen Wälzkörper in die Betrachtungen eingeht. Das Steifigkeitskennfeld des Lagers wird in das bei Schaeffler erstellte, vollelastische MKS-Modell des Motors integriert. Der Projektpartner stellte hierzu alle relevanten Bauteile des Motors virtuell als Computer-aided-Design(CAD)-Datensatz zur Verfügung und unterstützte bei der möglichst realitätsnahen Modellierung der Randbedingungen wie Toleranzen oder Materialdaten und der Betriebsbedingungen durch Bereitstellung von Gasdruckverläufen.
In der Simulation wird der Motor in Testzyklen – vorgegeben über den Gasdruckverlauf – virtuell betrieben. Die Testzyklen repräsentieren die Betriebszustände Last, Drehzahl und Temperatur, die für die Lebensdauer, den Verbrauch und das NVH-Verhalten relevant sind. Die resultierenden Lastspektren des Lagers zeigen beispielsweise, wie oft und wie lange Belastungen eingewirkt haben. Aufgrund der großen Erfahrung bei der Auslegung von Wälzlagern ist Schaeffler dazu in der Lage, während der Montage oder des Betriebs auftretende Einflüsse wie Verformungen zu berücksichtigen. Innerhalb der Berechnungskette ermöglicht die MKS-Software CABA3D von Schaeffler eine genaue Analyse der dynamischen Vorgänge im Inneren des Wälzlagers. So können die dynamischen Bewegungsverläufe der Lagerkomponenten, die zwischen ihnen wirkenden Kräfte sowie die entstehende Reibleistung bestimmt werden. Kommen die Ingenieure nach Bewertung der Testergebnisse zu dem Schluss, dass eine weitere Iterationsschleife im Optimierungsprozess notwendig ist, starten sie die Berechnung der überarbeiteten Konstruktion mit aktualisierten Eingabedaten wieder. In diese Bewertung fließen die Reibverluste, die Lebensdauer und das Geräuschverhalten des Systems ein.
Die Entwicklung einer Auslegungsmethode erfordert einen aufwendigen Validierungsprozess. In diesem Fall wurde der bisherige Serienstand des Motors hinsichtlich der verfügbaren Messdaten zur Dynamik der Kurbelwelle, der Reibverlustanteile und des Körperschalls validiert. Es kamen zudem validierte Teilmodelle der von Schaeffler verwendeten Wälzlager zum Einsatz. Die Kombination aus validiertem Basis- und Teilmodell erlaubt eine virtuelle Auslegung eines noch nicht gebauten Systems. Der Vergleich der virtuellen mit den realen Ergebnissen dient der Vorhersage von Reibungspotenzialen und Auswirkungen von Änderungen des Systems auf Größen wie Lebensdauer und Körperschall.
Zur Validierung der Simulationsmethodik bezüglich Kurbelwellendynamik wurden Motoren aus der laufenden Serie mit herkömmlicher Gleitlagertechnologie bei unterschiedlichen Motordrehzahlen auf dem Motorprüfstand bei Ford untersucht. Parallel erfolgten bei Schaeffler Berechnungen mit der in Bild 4 skizzierten Simulationsmethodik.
Dabei wurden für beide Analysewege identische geometrische Abmessungen und Randbedingungen vorgegeben. Generell eignet sich die Methodik gleichermaßen zur Berechnung von Gleit- und Wälzlagern, sodass die Gleitlagerungen des Serienmotors ohne grundsätzliche Änderungen modelliert werden konnten. Als eine Vergleichsgröße für den Vergleich der Ergebnisse von Messung und Simulation diente die Drehungleichförmigkeit der Kurbelwelle sowohl an der Schwungscheiben- als auch an der Nebenaggregatetriebseite. Wie im Bild 5 beispielhaft für Volllast bei 6000/min zu sehen ist, stimmen die auf dem Prüfstand und die virtuell erzielten Ergebnisse sehr gut überein. An beiden Seiten der Kurbelwelle wird der kurbelwinkelaufgelöste Verlauf der Drehzahl durch das Simulationsmodell sehr gut prognostiziert. Das gilt sowohl für den Verlauf über den Kurbelwinkel als auch für die Amplitude der Kurve.
Bild 5 Der Vergleich zwischen Realmotor und Motormodell zeigt gute Übereinstimmungen beim kurbelwinkelaufgelösten Verlauf der Drehzahl [3]
Zur weiteren Überprüfung des Simulationsmodells wurden bei 4000/min und Volllast Tests durchgeführt, bei denen die Riemenscheibe des Nebenaggregatetriebs einmal mit und einmal ohne Torsionsschwingungsdämpfer ausgerüstet war, Bild 6. Auch in diesen beiden Fällen stellte das Simulationsmodell seine Genauigkeit bei der Berechnung der Kurbelwellendynamik unter Beweis, sodass es hinsichtlich der Kurbelwellendynamik als validiert angesehen werden kann. Als weiteres Ergebnis der Validierung zeigt Bild 6 exemplarisch die Wirkung des Torsionsschwingungsdämpfers im Motorsystem. In den Diagrammen auf der linken Seite mit Dämpfer ist eine signifikant reduzierte Drehungleichförmigkeit der Kurbelwelle im Vergleich zum Diagramm auf der rechten Seite ohne Dämpfer zu erkennen.
Bild 6 Sowohl mit als auch ohne Schwingungsdämpfer zeigen Messungen und Motormodellberechnungen gute Übereinstimmungen [1]
Der wesentliche Validierungsaspekt sind die Reibungsverluste des Motors. Eine für diese Untersuchung etablierte Methode ist das sogenannte Strip-Down-Verfahren. Dabei werden stufenweise einzelne Baugruppen des Motors demontiert. Die vergleichende Messung mit und ohne die entsprechenden Komponenten zeigt deren Reibungseinflüsse, jedoch teilweise ohne deren Wechselwirkungen aufeinander. Wie aus Bild 7 hervorgeht, sind die Reibungsanteile der einzelnen Baugruppen stark von der Drehzahl abhängig. Generell ist der Stellenwert von Kolben und Pleuel jedoch bei allen Drehzahlen dominierend, gefolgt von den Kurbelwellenlagern und -dichtungen sowie von der Ölpumpe und der Ausgleichswelle. Im Bild 7 (rechts) ist die Reibungsverteilung bei der Drehzahl von 4000/min genauer aufgeschlüsselt. Das System aus Kurbelwellenlagern und -dichtungen verursacht bei dieser Drehzahl 18 % der Gesamtreibung. Über das Drehzahlband von 1000 bis 6000/min schwankt der Wert zwischen 10 und 20 %. An dieser Reibung hat jede der zwei Kurbelwellendichtungen mit 0,25 Nm einen relativ geringen und über der Drehzahl als konstant angenommenen Anteil.
Bild 7 Aufschlüsselung der Reibungsanteile mithilfe einer Strip-Down-Messung [1]
In Bild 8 sind die Ergebnisse der Strip-Down-Messung und -Berechnung gegenübergestellt. Die durch die Balken abgetragenen Werte der einzelnen Baugruppen stammen aus der Simulation der Kurbelwellenhauptlager und gemessenen Anteilen und ergeben in Summe einen Wert, der sehr gut mit der gemessenen Reibung (rote punktierte Linie in Bild 8) übereinstimmt. Das gilt sowohl für den geschleppten Gesamtmotor (links) als auch für eine Einzeluntersuchung des Kurbeltriebs (rechts). Damit ist die Validierung des Entwicklungsmodells abgeschlossen, Optimierungen der Kurbelwellenlagerungen des betrachteten Motors können nun einfach und effizient auf virtueller Ebene untersucht werden.
Bild 8 Vergleich der gemessenen und der berechneten Reibungswerte [1]
Eine validierte Berechnungsmethode des Gesamt- und der Teilsysteme des Motors erlaubt Aussagen, die allein durch Messungen aufgrund der dort fehlenden Differenzierung hinsichtlich der Wechselwirkungen nicht möglich sind. Bild 9 (links) stellt in drei Teilbildern die Reibungsanteile dar, die die vier Kurbelwellengleitlager des Basismotors an der Gesamtkurbelwellenlagerreibung haben. Dabei zeigt das erste Teilbild Ergebnisse von Prüfstandsmessungen ohne Nebenaggregatetrieb. Alle vier Lager sind demnach ungefähr im gleichen Umfang an der Gesamtreibung beteiligt. Diese homogene Aufteilung verschiebt sich, wenn man die Last des Nebenaggregatetriebs mitberücksichtigt. Im zweiten Teilbild sind die Resultate virtueller Untersuchungen mit dem Motormodell zusammengefasst. Unschwer ist zu erkennen, dass der durch das erste Kurbelwellenlager verursachte Anteil im Vergleich zu den anderen drei Lagern signifikant ansteigt. Dieses Phänomen beruht auf den Biegebelastungen, die über den Steuertrieb und die Nebenantriebe auf die Kurbelwelle wirken. Die Lagerlasten verschieben sich nochmals, wenn man die Gaskräfte bei gefeuertem Motorbetrieb mit einberechnet (drittes Teilbild). Dabei zeigt sich eine ausgeprägte Abhängigkeit von der Motordrehzahl.
Bild 9 Reibungsanteile der vier Kurbelwellenhauptlager und virtuelle Wechselwirkungen [1]
Im Bild 10 ist das mögliche Reduktionspotenzial der Reibverluste als Differenz zwischen Gleitlagermotor (grüne Linie) und dem Konzept mit einem Wälzlager auf dem ersten Hauptlager dargestellt. Das erste Kurbelwellenlager hat nun auch im gefeuerten Motorbetrieb unter Volllast den geringsten Anteil an der Kurbelwellenlagerreibung. Insbesondere zeigt das Wälzlager das Potenzial Prinzip-bedingte Vorteile gerade bei geringen Drehzahlen und hohen Lasten.
Bild 10 Potenzial der Reibungsreduzierung durch Wälzlager [1]
Auf Basis dieser Ergebnisse wurde ein Prototypmotor konzipiert, bei dem nur das erste Kurbelwellenlager als Wälz- statt Gleitlager ausgeführt ist. Dazu erfolgte eine Optimierung in verschiedenen Iterationsschritten mithilfe der oben erläuterten Entwicklungsmethodik, ausgehend von einem handelsüblichen Wälzlager mit 72 mm Außen- und 35 mm Innendurchmesser hin zu einem Lager, das auf den konkreten Anwendungsfall abgestimmt wurde, Bild 11. Im Ergebnis hat es nun 7 % weniger Bauraumbedarf im Kurbelgehäuse und einen um 14 % größeren Kurbelwellendurchmesser. Dazu kommen noch eine wesentlich höhere Lebensdauer und geringere Reibverluste als das größere Lager.
Bild 11 Optimal ausgelegtes Wälzlager für das erste Kurbelwellenhauptlager des untersuchten 1,0-l-Dreizylindermotors [1]
Das zeigen auch Schleppmessungen mit dem Prototypen- im Vergleich mit dem Serienmotor. Dazu wurde die Reibung des Gesamtmotors mit dem ersten Kurbelwellenlager als Gleit- und Wälzlager bei unterschiedlichen Temperaturen und Drehzahlen gemessen. Die in der Simulation berechneten Vorteile können auch in den Messungen umfänglich verifiziert werden. Im gesamten untersuchten Kennfeld hat das Wälzlager klare Vorteile gegenüber der Gleitlagerung. Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt bei hohen Lasten und geringen Drehzahlen.
Bild 12 zeigt das Potenzial des ersten Kurbelwellenlagers als Wälz- statt Gleitlager bei einem Ford Focus, der mit dem untersuchten 1,0-l-EcoBoost-Motor ausgerüstet ist, im Verbrauchskennfeld. Im Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Cycle (WLTC) addieren sich die Reibungsvorteile zu einer Verbrauchsreduzierung von 1,1 %. Bei der Übertragung auf andere Anwendungen muss allerdings berücksichtigt werden, dass das Potenzial in erheblichem Maße von der Last des Nebenaggregatetriebs und des Gasdrucks abhängig ist, die auf das Kurbelwellenlager wirkt. In einem durch Ford durchgeführten Verbrauchstest des gefeuerten Motors mit minimalen und maximalen Fahrwiderstandskurven hat sich ein Vorteil von 0,9 bis 1,2 % gezeigt.
Bild 12 Die Reibungsvorteile durch das erste Kurbelwellenlager als Wälzlager addieren sich auf 1,1 % weniger Kraftstoffverbrauch im WLTC [1]
Neben der Reibung und der Lebensdauer ist das NVH-Verhalten der Kurbelwellen-Wälzlagerung bei Belastung ein entscheidendes Entwicklungsmerkmal und wurde im vorliegenden Fall intensiv untersucht. Wichtigstes Kriterium dafür sind die Oberflächenschnellen des Motors, die für die Erzeugung von Luft- und Körperschall verantwortlich sind. Zur Analyse, ob und wie sich die Anregungsfrequenzen des Schwingungssystems verändert haben, wurden beide Motoren – also mit Gleit- und mit Wälzlagerung – Messungen des Körper- und Luftschalls unterzogen. Im Bild 13 (oben) sind die Ergebnisse für den Körperschall zusammengefasst. Beim Vergleich der Ergebnisse konnten keine signifikanten Abweichungen ermittelt werden. Auch hinsichtlich Luftschall, Bild 13 (unten), unterscheiden sich die Werte beider Motoren kaum. Als Ergebnis der Messungen kann dem wälzgelagerten Motor ein NVH-Verhalten auf dem Niveau des Gleitlagermotors bescheinigt werden. Dieses Resultat deckt sich mit der subjektiven Bewertung des Geräuschverhaltens durch Testprobanden, die im Rahmen einer abschließenden Testreihe zu ihren akustischen Eindrücken befragt wurden.
Bild 13 Die Untersuchungen zeigten keinen Unterschied beim NVH-Verhalten zwischen Gleit- und Wälzlagerung [1]
In einem weiteren Schritt hat Schaeffler die Auswirkungen einer P0-Hybridisierung mittels Starter-Generator auf die Kurbelwellenlagerbelastung untersucht. Die höheren Zugkräfte und geänderte resultierende Lastrichtung führen zu einer zusätzlichen Biegebeanspruchung der Kurbelwelle und damit zu einer größeren Lagerbelastung. Im Bild 13 (rechts), ist die resultierende Hauptlagerbelastung eines Standard FEAD im Vergleich mit der gesteigerten Lagerbelastung des ersten Hauptlagers eines P0-hybridisierten Verbrennungsmotors dargestellt. Der deutlich höhere Kantendruck, größtenteils Festkörperdruck, weist auf eine gesteigerte Verschleißgefährdung hin. Für diese Anwendung bietet sich damit eine Wälzlagerung an der Kurbelwelle zur Robustheitssteigerung und Reibungsreduzierung an.
Ein weiterer Vorteil stellt sich beim Start des Motors aus dem Stillstand unter hoher Riemenlast heraus, wie in Bild 15 für den Start bis 1000/min bei 90 °C dargestellt. Das erforderliche Moment von zirka 30 Nm das der Startermotor aufbringen muss, ist maßgeblich durch die Massenträgheit bestimmt. Ein signifikanter Vorteil ergibt sich jedoch mit einem um den Faktor 10 geringeren erforderlichen Losbrechmoment. Zu geringeren Temperaturen hin steigert sich dieser Vorteil weiter.
Bild 14 Speziell beim P0-Hybrid kann die Belastung des ersten Kurbelwellenhauptlagers sehr groß werden, sodass eine Wälzlagerung besonders hohe Verbrauchspotenziale bietet [1]
Bild 15 Der Startvorgang einer P0-Hybridanwendung; Vergleich von Gleit- und Wälzlager [1]
Gemeinsam mit Ford hat Schaeffler Untersuchungen an einem 1,0-l-EcoBoost-Motor durchgeführt, dessen erstes Kurbelwellenlager als Wälz- statt Gleitlager ausgeführt worden ist. Dabei kam ein validiertes Motorsimulationsmodell auf Basis einer bei Schaeffler intern erarbeiteten Entwicklungsmethodik zum Tragen. Wie sich im Laufe des Forschungsprojekts zeigte, muss das Wälzlager speziell auf die Einsatzbedingungen des jeweils betrachteten Motors abgestimmt sein, um sein volles Optimierungspotenzial entfalten zu können. Im WLTC konnten bei dem gewählten Verbrennungsmotor Verbrauchseinsparungen von 1,1 % prognostiziert und durch Messungen verifiziert werden, ohne dabei Nachteile im NVH-Verhalten in Kauf nehmen zu müssen. Sollten in einem künftigen Entwicklungsprojekt dennoch NVH-Auffälligkeiten erkennbar sein, erarbeitet Schaeffler derzeit aktive und passive Maßnahmen, die diesem Problem entgegenwirken.
Gerade der Einsatz von Wälzlagern auf den hoch belasteten Hauptlagern von Verbrennungsmotoren mit P0-Hybridisierung, zeigt ein hohes Potenzial zur Reibungsreduzierung und Robustheitssteigerung der Kurbelwellenlagerung. In weiterführenden Forschungsprojekten untersucht Schaeffler die Vorteile von Kurbelwellen-Wälzlagern bei anderen Motorkonfigurationen, beispielsweise mit vier Zylindern. Auch hier arbeitet Schaeffler intensiv an Konzepten zur Umsetzung.
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Die Digitalversion des Tagungsbandes des Schaeffler-Kolloquiums 2018 „Mobilität für morgen“
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Aktuelle Infos zu Schaeffler finden Sie unter www.schaeffler.com/de
Da der Verbrennungsmotor auch in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen wird, bleiben die heutigen Herausforderungen auch in Zukunft aktuell: Um den CO₂-Ausstoß der Fahrzeuge zu reduzieren, behält die Vermeidung von Reibungsverlusten einen großen Stellenwert; sie bietet nach wie vor einen Hebel zur CO₂-Reduzierung. Eine verbreitete Maßnahme ist das Downsizing, also die Hubraumreduzierung zur Effizienzsteigerung des Motors, welche zu einer höheren Belastung der Lagerstellen führen kann. Start-Stopp-Funktionen, die den Verbrennungsmotor abstellen, wenn er nicht benötigt wird, beispielsweise an einer roten Ampel, und bei der Weiterfahrt automatisch wieder starten, bewirken ebenfalls einen höheren Anteil der Mischreibung in den Gleitlagern des Verbrennungsmotors. Bei der P0-Hybridisierung wird im Riementrieb der Nebenaggregate ein Starter-Generator integriert. Dieser unterstützt den Verbrennungsmotor beim Start und Segeln. Die zum Teil erheblich höheren Riemenkräfte, in Kombination mit häufigen Startvorgängen, sorgen für eine weiter steigende Belastung des ersten Hauptlagers. In Summe nehmen die Festkörperkontakte in den Lagerstellen moderner Motoren deutlich zu.
Dadurch rückt die Nutzung von Wälz- statt Gleitlagern im Motor [1] in den Fokus – einen Weg, den Schaeffler durch umfangreiche Vorentwicklungstätigkeit und zahlreiche Anwendungen bereits geebnet hat. Ein Entwicklungspfad dabei sind neue Ansätze für Wälzlagerungen von Kurbelwellen in Pkw-Motoren. In einem zusammen mit Ford durchgeführten Entwicklungsprojekt hat Schaeffler die Voraussetzungen für eine Kurbelwellen-Wälzlagerung und die resultierenden Vorteile an einem 1,0-l-Dreizylinder-Ottomotor detailliert untersucht.
Die maßgeblichen, beeinflussenden Parameter sind:
• Haft-/Grenzreibung: Oberflächenrauigkeiten, Oberflächenadditive und Beschichtungen
• Mischreibung: Oberflächenrauigkeit, Additive (Oberfläche und Viskosität), Beschichtungen und Schmierspaltgeometrie
• Flüssigkeitsreibung: Ölviskosität, Betriebstemperatur, Additive (Scherrate bzw. Viskosität), Schmierspaltgeometrie und Ölmenge.
Ein Ansatz zur Reduzierung der Reibverluste sind daher Schmierstoffe mit weiter abgesenkter Viskosität. Inzwischen gibt es nach SAE J300 sogar die Klassen 0W16, 0W12 und 0W8 [2]. Zwar reduzieren sich mit diesen extrem dünnflüssigen Ölen die Scherviskositäten und damit die Verlustleistungen, parallel steigen jedoch die Mischreibungsanteile im Motorbetrieb an. Für die Tribologieentwicklung ergeben sich dadurch zwei Aufgaben: Erstens gilt es, dem Verschleiß zu begegnen, zweitens kann die höhere Mischreibung ohne Gegenmaßnahmen zu steigenden Reibverlusten führen. Mögliche Abhilfemaßnahmen sind Oberflächenbeschichtungen, die Verschleiß und Reibung minimieren, die fertigungstechnische Vorwegnahme des Einlaufs (Konturierung, Rauheit) und die Verwendung von hoch additivierten Schmierstoffen.
Generelle konstruktive Maßnahmen zur Reibungsreduktion sind einerseits die Optimierung der Massen und Verringerung der einwirkenden Kräfte und andererseits der Wechsel der Kontaktart von der Gleit- zur Wälzlagerung. Bild 2 zeigt die prinzipiellen Unterschiede eines Zylinderrollenlagers und eines Gleitlagers bei der gleichen Anwendung im Motorblock des gewählten Dreizylindermotors. Über der Lagerlast aufgetragen ist der Reibwert des jeweiligen Lagers. Der Reibwert des Wälzlagers ist in allen Lastbereichen geringer als der des Gleitkontakts und nimmt mit steigender Last ab.
Bild 3 Wälz- statt Gleitlager im Motor haben sich bei unterschiedlichen Anwendungsfällen bewährt [1]
Das CO₂-Einsparpotenzial ist ein Grund für Schaeffler, sich intensiv mit neuen Ansätzen für Wälzlagerungen von Kurbelwellen in Pkw-Motoren zu beschäftigen. Ein weiterer Grund liegt im Prinzip bedingten Vorteil des Wälzlagers beim Anlauf aus Start-Stopp-Zuständen und geringen Drehzahlen unter hohen Lasten. Wie Forschungsergebnisse von OEM und Schaeffler zeigten, reicht es nicht aus, die etablierten Gleitlager ohne konstruktive Änderungen am Motor durch Wälzlager zu ersetzen. Vielmehr müssen sowohl Gleit-, Wälzlagerungen und Motor im System betrachtet und optimiert werden, um das größtmögliche Potenzial der Wälzlagerung zur CO₂-Senkung ausschöpfen zu können, ohne Nachteile beispielsweise hinsichtlich der Akustik in Kauf nehmen zu müssen. Schaeffler hat in einem Kooperationsprojekt mit Ford daher ein Forschungsprojekt initiiert, in dem die Eigenschaften einer Kurbelwellen-Wälzlagerung an einem 1,0-l-Dreizylinder-Ottomotor detailliert untersucht worden sind [3]. Dabei geht es neben dem NVH-Verhalten unter anderem um die Frage, wie hoch das Einsparpotenzial bei verschiedenen Betriebspunkten im Motorkennfeld ist. Generell stellt ein Dreizylindermotor eine sehr herausfordernde Aufgabe für den Einsatz von Wälzlagern dar. Konstruktionsbedingt sind bei ihm nur vier Kurbelwellenlagerstellen vorhanden, wodurch der Nutzen von Wälzlagern besonders zu hinterfragen ist. Von Beginn an wurden alle möglichen Kombinationen betrachtet und bewertet, von vollwälzgelagert bis zu Kombinationen von Wälz- und Gleitlagern. In die Bewertung flossen auch Kriterien wie Montageaufwand und Ölversorgung der gleitgelagerten Pleuellager ein.
Bild 4 In sich geschlossener Entwicklungsprozess zur Auslegung von Kurbelwellenlagern [1]
[1] Schlerege, F.; Hagen, N.: Rolling bearings atcrankshaft – method, application and analysis. R&D Conference Automotive, 2017
[2] Luther, R.: „Schmierstoff muss multitalentiert sein“. In: MTZ 76 (2015), Nr. 7-8
[3] Schlerege, F.; Hagen, N.; Morawitz, U.: Evaluation of a Rolling Bearing Crankshaft. VDI-Veröffentlichung, 2016
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