Dämpfersysteme
Maßgeschneiderte Dämpfer für jedes Antriebskonzept
Dr. Ad Kooy
Roland Seebacher
Ausgangssituation
Zur Isolation der Drehschwingungen zwischen Motor und Getriebe werden Fliehkraftpendel (FKP) seit 2008 eingesetzt und sind inzwischen weit verbreitet. Wie in Bild 1 dargestellt, werden mittlerweile pro Jahr etwa 20 Millionen FKP für Getriebeanwendungen produziert. Davon werden etwa zwei Drittel im Wandler von Automatikgetrieben und etwa ein Drittel in Handschaltgetrieben und Doppelkupplungsgetrieben eingesetzt. Bei der Anordnung im Zweimassenschwungrad (ZMS) wird unterschieden zwischen innenliegenden FKP – sie sind platzsparend unter der Bogenfeder angeordnet – und außenliegenden FKP, die neben der Bogenfeder platziert sind und durch das höhere Massenträgheitsmoment eine noch bessere Isolierung der Drehungleichförmigkeiten erreichen.
Bild 1 Schaeffler Produktion von Fliehkraftpendeln pro Jahr für Handschaltgetriebe und Doppelkupplungsgetriebe (links) sowie Automatikgetriebe (rechts)
Der große Markterfolg des FKP ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass sich durch das physikalische Prinzip zwangsläufig ein Gleichgewicht zwischen Anregung und Pendelschwingung einstellt. Dabei steigt die Schwingamplitude so lange an, bis die anregende Masse nicht mehr schwingt. So kann das FKP auch unterschiedliche Phasenlagen ausgleichen, die bei höheren Drehzahlen oder im Schubbetrieb auftreten können. Die Eigenfrequenz des Dämpfers ändert sich über die quadratisch mit der Drehzahl steigenden Fliehkraft genauso wie die haupterregende Zündfrequenz des Verbrennungsmotors. Als wichtigste Störgröße tritt lediglich die Bahngenauigkeit der rotierenden Massen im Zusammenspiel mit Flansch-, Pendel- und Rollengeometrie auf, die Schaeffler mit modernen Fertigungsverfahren im industriellen Maßstab präzise gewährleisten kann.
Eine weitere Störgröße können Reibungen der Pendelmassenführungen darstellen. Deshalb kommen hier meistens sehr steife Rollen zum Einsatz, die nahezu reibungsfrei arbeiten. Es entstehen fast keine Wärmeverluste, da das FKP die pulsierende mechanische Energie des Motors effizient zwischenspeichert. Anschließend gibt es sie ab und dämpft den Antriebsstrang.
Bild 2 Einsatzmöglichkeiten des Fliehkraftpendels im ZMS (links) und weiteren Anwendungen (rechts) auf der Kupplungsscheibe, im Einmassenschwungrad und als doppeltes FKP im Wandler eines Automatikgetriebes
Eine weitere Entwicklungsrichtung stellt das FKP im Einmassenschwungrad eines Nutzfahrzeugantriebs dar. Als Besonderheit ist hier der Flansch zu erwähnen, auf dem die Pendel angeordnet sind und der die Geometrie der Bahnen darstellt. Er ist mit Schrauben am Schwungrad befestigt, was eine modulare Bauweise ermöglicht.
Auslegung von Fliehkraftpendeln ab Leerlaufdrehzahl
Bei der Auslegung von FKP im Bereich ab Leerlaufdrehzahl werden drei Ziele verfolgt. Erstens gilt es, eine gute Isolation auch bei niedrigen Drehzahlen zu erreichen. Zu diesem Zweck sind möglichst viel Masse und ein möglichst großer Schwingwinkel erforderlich. Zweitens soll das Abheben des Pendels von der Führungsbahn bei niedrigen Drehzahlen und großen Schwingwinkeln verhindert werden, um Verschleiß an den Bahnen zu vermeiden. Und drittens sollen bei niedrigen Drehzahlen möglichst wenig Anschläge der Dämpfer am Bahnende verursacht werden, um die Gummipuffer zu schonen, die einen Teil der Anschlagsenergie zur Vermeidung von Eigengeräuschen absorbieren.
Die als Farbkarten in Bild 3 dargestellten Prinzipsimulationen auf Basis eines Fahrzeugmodells mit Vierzylindermotor in einem P2-Hybridantrieb zeigen die wichtigsten Abhängigkeiten der gewählten Ordnung. Die jeweilige Ordnung wird im FKP über die Bahnkrümmung von Pendel und Flansch in Kombination mit dem Rollendurchmesser umgesetzt. Dargestellt werden drehzahlabhängig die erreichten Isolationen und die hierfür nötigen Schwingwinkel.
Bild 3 Prinzipsimulation zur Optimierung der Bahnkrümmung von Pendel und Flansch in Verbindung mit dem Rollendurchmesser am Beispiel eines FKP ohne (Bilder oben) und mit (Bilder unten) Federelementen zwischen den Pendeln (Koppelpendel)
Die Änderung der Bahnkrümmung über den Schwingwinkel im FKP führt zu einer Änderung der Ordnung. Der Effekt dieser Änderung kann im Farbdiagramm abgelesen werden. Wird eine von der 2. Ordnung abweichende Ordnung verwendet, verschlechtert sich zwar die Isolation, dafür reduziert sich aber auch der Schwingwinkel, was ein Anschlagen des Pendels verhindert. Am Ende der Bahn werden deswegen relativ starke Verstimmungen eingesetzt.
Bei der Simulation der Isolationswirkung eines FKP ist allerdings zu beachten, dass bei großen Schwingwinkeln auch die Bahnbereiche für kleine Schwingwinkel mit überstrichen werden, was die sich ergebende integrale Ordnung beeinflusst. Die Prinzipsimulation erfolgt deswegen zunächst bei Volllast. Bei Teillast mit ihren niedrigeren Schwingwinkeln ist der Verlauf der Ordnung und damit die Isolationswirkung trotz identischer Bahn anders. Da aber bei Teillast auch die Anregungen des Motors geringer sind, ist in der Auslegung der Bahngeometrie dafür in der Regel kein Kompromiss erforderlich.
Als Ergebnis kann mit dem FKP eine sehr gute Isolation erreicht werden. Lediglich im Bereich knapp über der Leerlaufdrehzahl ist sie noch nicht ganz ideal. Hier liegt ein Ansatzpunkt für Verbesserungen. Bei innenliegenden FKP ist der Einsatz signifikant höherer Massen ein Lösungsweg, der bei ausreichendem Bauraum beschritten werden kann. Eine andere Möglichkeit ist die Verwendung radial weiter außen liegender, neben der Bogenfeder positionierter FKP, wenn genügend axialer Bauraum vorhanden ist. Die enge Verbindung von Bauraumvorgaben und möglichen konstruktiven Lösungen zur Dämpfung der Drehschwingungen unterstreicht, dass eine frühzeitige Absicherung durch valide Simulationen erforderlich ist.
Auslegung im Start-Stopp-Bereich unterhalb Leerlaufdrehzahl
Beim Abstellen des Motors sinken die Drehzahlen rasch. Ab einem bestimmten Punkt dominiert die Schwerkraft über die Fliehkraft, die Pendel verlieren den Kontakt zu den Rollen. Insbesondere bei außenliegenden FKP, deren Pendelmassen radial weit außen positioniert und die nicht wie im innenliegenden FKP gekapselt sind, können dabei wahrnehmbare, unerwünschte Geräusche entstehen. Der Motorstart ist im Vergleich dazu durch relativ starke Anregungen gekennzeichnet, so dass hier das Anschlagen am Bahnende dominiert.
Mit Hilfe von Simulationen lässt sich die Aufprallenergie der schwingenden Komponenten beim Start zwar gut berechnen; schwieriger verhält sich dies jedoch mit dem Rückprallen der sich relativ zueinander bewegenden Bauteile, da von Aufschlagpunkt und Bahntoleranzen abhängige Drehbewegungen auftreten. Bild 4 zeigt einen Lösungsansatz für dieses Problem. Mit Hilfe eines sogenannten W-Anschlagdämpfers werden die ungewollten Eigendrehbewegungen über eine Zweipunktführung des Pendels weitgehend unterbunden. Durch den dabei verwendeten Elastomerdämpfer konnte eine deutliche Reduzierung dieser Drehbewegungen erreicht werden. Wie beim V-Anschlagdämpfer wird durch das Aufschlagen auf eine breite Gummifläche die absorbierbare Aufschlagsenergie im Vergleich zu bisherigen, ringförmigen Anschlagelementen wesentlich erhöht.
Für innenliegende FKP, die in den Flansch integriert sind, können die beschriebenen Geräusche beim Abstellen des Motors so im Allgemeinen auf ein vertretbares Maß reduziert werden. Bei außenliegenden Pendeln ist das schwieriger. Eine Lösung stellt das sogenannte Koppelpendel da, bei dem die Pendel über Federn sich gegenseitig in Umfangsrichtung abstützen.
Die Vorspannung der Federn ist dabei so gewählt, dass das Pendel auch bei völligem Stillstand des Motors in der Bahn bleibt, der Kontakt zwischen Pendel, Rolle und Flansch also nicht verloren geht. Der Effekt, dass die Federkräfte sich mit den Fliehkräften überlagern, wird über eine Ordnungskorrektur der Bahn weitgehend kompensiert. Sehr hilfreich ist eine solche Federanordnung insbesondere für Pendel in 1. Ordnung, wie sie zum Beispiel bei Zylinderabschaltung von 4 auf 2 aktive Zylinder nötig sind. Denn die Schwerkraft erzeugt bei einem drehenden Pendel ebenfalls eine Anregung 1. Ordnung, die verstärkend auf die Anregung aus der Zylinderabschaltung wirkt.
Das Prinzip lässt sich auch auf ein innenliegendes Pendel übertragen. Auch hier wird das sogenannte Zweiflansch-Design eingesetzt, Bild 4 rechts, das eine einfache Integration der Federn für die Pendelvorspannung ermöglicht. Aus Kostengründen wird dieses Prinzip allerdings nur für sehr hohe Anforderungen und Komfortansprüche wie beispielsweise Hybridfahrzeuge mit häufigen und ohne Zutun des Fahrers automatisiert erfolgenden Wiederstarts eingesetzt.
Bild 4 Aufbau eines innenliegenden FKP mit W-Anschlagdämpfer (links) sowie mit tangentialen Verbindungselementen an den Pendeln (Koppelpendel, rechts)
Ein weiterer Lösungsansatz ist ein FKP-Konstruktionsprinzip mit U-Pendel, Bild 5 links. Hierbei stützt sich das FKP über ein in einer Flanschaussparung untergebrachtes, gehärtetes Zwischenstück mit seitlich angebrachten Blechen radial direkt unterhalb des Flansches auf die Rollen ab. Die Rollen können dadurch deutlich kürzer und leichter ausgelegt werden, was die Geräuschentwicklung beim Stoppvorgang deutlich reduziert. Denn die Geräusche im FKP entstehen einerseits durch das Anschlagen des Pendels auf den Flansch, was mit entsprechenden Gummidämpfern weitgehend abgefangen werden kann, andererseits aber durch das Anschlagen der Rollen auf Pendel und Flansch, was schwieriger zu beherrschen ist. Bleche und Zwischenstück ergeben zusammen einen U-förmigen Querschnitt. Die Anordnung ermöglicht außerdem etwas höhere Pendelmassen für eine bessere Isolation. Die schmalen Rollen bedürfen einer Führung, die üblicherweise über Rollenborde sichergestellt wird.
Bild 5 Aufbau eines FKP mit U-Pendel (links) und eines Iso-Radial-Pendels (rechts)
Einen völlig anderen Weg geht der neue Ansatz des sogenannten Iso-Radial-Pendels, Bild 5 rechts. Dabei werden die einzelnen Pendel an einem Punkt über einen nicht im Momentenfluss liegenden Ring miteinander verbunden, die Pendelmassen sind somit synchronisiert. Auf eine der beiden üblichen Pendelrollen wird verzichtet, so dass das Pendel eine Schwenkbewegung statt einer rein radialen Bewegung ausführt. Durch diese Konstruktion ist die Anregung 1. Ordnung aus der Schwerkraft auf die einzelnen Pendelmassen eliminiert. Gegen den Kontaktverlust bei niedrigen Drehzahlen im Stoppvorgang hilft dieses Prinzip jedoch nicht, auch hier müssen die Geräusche mit Anschlagelementen im Zaum gehalten werden. Ein Vorteil liegt aber darin, dass auf die Kopplung über Federn verzichtet werden kann. Insbesondere bei niedrigen Drehzahlen kann so eine bessere Isolation erreicht werden.
Fliehkraftpendel auf Kupplungsscheibe
Bild 6 Prinzipsimulation zur Optimierung der Bahnkrümmung von Pendel und Flansch in Verbindung mit dem Rollendurchmesser am Beispiel eines FKP an der Kupplungsscheibe ohne (Bilder oben) und mit (Bilder unten) Reibelementen
Darüber hinaus sind auch hier ausreichende Kontaktkräfte bei niedrigen Drehzahlen und großen Schwingwinkeln sicherzustellen, um Verschleiß durch ein Rutschen der Rollen zu verhindern. Zu diesem Zweck wurde das Rutschen experimentell mit Hilfe von Hall-Sensoren direkt auf dem FKP untersucht. Dadurch war es möglich, die relative Bewegung zwischen den beiden Rollen, das Verkippen und die axiale Bewegung der Rollen zu messen. Bild 7 links zeigt, dass bei mehrmaligen Pendelbewegungen am Ende der Bahn jeweils eine Rolle rutscht, während die Bewegung der Rollen beim Zurücklaufen linear, also mit konstantem Abstand erfolgt. Das führt in dem Bild zu einer scheinbaren Hysterese. Eine auf Simulation beruhende Analyse zeigte, dass bei der rutschenden Rolle die Kontaktkräfte deutlich niedriger sind. Daraus lässt sich eine Zielgröße für die minimalen Kontaktkräfte ableiten.
Bild 7 Abstand der Rollen zueinander bei mehrmaligen Pendelbewegungen (links) und eingesetzte Reibelemente zur Stabilisierung der Rollen (rechts)
Der beste Kompromiss zwischen erforderlichen Kontaktkräften und Isolationsverhalten lässt sich durch die Einführung von Reibelementen am FKP finden, und zwar einer Wellscheibe oder einer Tellerfeder zwischen Pendel und Flansch, Bild 7 rechts. Diese verschlechtern die Isolation bei höheren Drehzahlen nicht merklich, helfen aber bei niedrigen Drehzahlen, den Schwingwinkel des FKP zu optimieren. Weiterhin sorgen sie für eine axiale Stabilisierung des Pendels und reduzieren Stopp-Geräusche. Die Reibelemente werden aus Kunststoff gefertigt, haben einen hohen Verschleißwiderstand und erreichen auch bei einer sehr hohen Anzahl von Schwingungen eine ausreichende Lebensdauer. Das Konstruktionsprinzip lässt sich sowohl für Dreizylindermotoren als auch für Vierzylindermotoren einsetzen.
Fliehkraftpendel in Hybridfahrzeugen
Bei Plug-in-Hybriden soll der wahrnehmbare schwingungstechnische Unterschied zwischen dem rein elektromotorischen Fahrbetrieb und dem verbrennungsmotorischen Fahren möglichst gering sein. Daraus ergeben sich komplexe Anforderungen an die Isolation, die dadurch erschwert werden, dass die E-Maschine den Bauraum für den Dämpfer oft noch zusätzlich einschränkt.
Auch die Anordnung des E-Motors spielt eine erhebliche Rolle. Bei P0- und P1-Anordnungen muss das zusätzliche Moment des Elektromotors vom Dämpfer übertragen werden, bei P2- bis P4-Anordnungen ist das nicht der Fall. Besonders bei P2-Anordnungen hilft die zusätzliche Massenträgheit des E-Motors bei der Dämpfung von Drehschwingungen. Die jeweils optimale Lösung hängt stark vom Bauraum ab. Dabei lassen sich verschiedene Wirkprinzipien wie Massen, Federdämpfer und FKP miteinander kombinieren. Durch den Schleppstart zum Wiederstarten nach dem Segeln bei abgeschaltetem Verbrennungsmotor kommt neben dem normalen Start ein zusätzlicher, kritischer Betriebspunkt hinzu. Denn der Wiederstart sollte für den Fahrer möglichst unmerklich erfolgen. Wird ein FKP eingesetzt, so kann ein Koppelpendel wie oben beschrieben dabei helfen, Anschlaggeräusche zu vermeiden.
Ein interessanter Ansatz für einen besonders schlanken Dämpfer ist ein sekundärseitig zum Getriebe hin angeordnetes FKP als sogenannter „Reversed Small Radial Damper“ (RSRD), Bild 8. Bei diesem Konzept wird der Flansch, der die Bogenfeder betätigt, direkt an der Kurbelwelle des Motors angeschraubt. Durch die Verlagerung der primären Massenträgheit an das Vorderende des Motors muss die Bedämpfung der Kurbelwellen-Eigenfrequenz von 300 bis 500 Hz am hinteren Ende der Kurbelwelle stattfinden. Simulationen zeigen, dass die Bogenfeder die Schwingungen innerhalb der Kurbelwelle bei entsprechender Auslegung dämpfen kann. Dadurch kann ein herkömmlicher, separater Kurbelwellentilger eingespart werden. Weiterer Vorteil: Die Bogenfeder ist radial unter dem FKP angeordnet, außerhalb davon ist lediglich das eigentliche FKP mit einem Berstschutz angebracht. So entsteht zusätzlicher Bauraum für die E-Maschine, bei einer deutlich verbesserten Isolation.
Bild 8 Reversed Small Radial Damper (RSRD) mit FKP und Schwungrad am vorderen Kurbelwellenende
Untersuchungen auf Wirkprinzip-Ebene
Ein Ansatz auf der Suche nach neuen Dämpfungskonzepten liegt bei Schaeffler darin, mit Hilfe einfacher Modelle unterschiedliche Wirkprinzipien auf theoretischer Ebene zu untersuchen. Die Modelle konzentrieren sich auf die wirkungsbezogenen Parameter und werden auf physikalischer Basis bei Einhaltung gleicher Trägheiten und Federenergien verglichen. Limitierende Faktoren wie Bauraum, Kosten und Machbarkeit werden erst in einem zweiten Schritt einbezogen. Erweist sich ein Wirkprinzip als zielführend, dann wird die Funktion des neuen Konzepts auf erweiterte Betriebssituationen wie beispielsweise einen Motorstart hin untersucht. Dies geschieht in einem simulierten Fahrzeugmodell mit allen relevanten Nichtlinearitäten.
Grundsätzlich lassen sich Schwingungsdämpfer in drei Systeme unterteilen:
• Passive Systeme: Die Energie wird in einem stetigen Wechsel als kinetische und potenzielle Energie zwischengespeichert, etwa in einem klassischen Feder-Masse-Dämpfer wie dem ZMS oder dem FKP, das die potenzielle Energie im Fliehkraftfeld zwischenspeichert.
Gute Ergebnisse lassen sich auch mit einer effizienten Kombination aller genannten Systeme erreichen.
Bild 9 Unterschiedliche Wirkprinzipien für die Dämpfung von Schwingungen und Vibrationen
Die Analyse dieser Wirkprinzipien zeigt zwei elementare Eigenschaften aller schwingungsfähigen Systeme: In jedem Freiheitsgrad verbirgt sich eine Resonanz und eine Antiresonanz. Im Grunde geht es darum, die Resonanz zu beherrschen und gleichzeitig die Antiresonanz zielführend zu nutzen.
Gerade zur Isolation bei niedrigen Drehzahlen ist das Prinzip der Antiresonanz vielversprechend. Denn dabei wird die Schwingbewegung für eine bestimmte Frequenz vollständig ausgelöscht: Die Drehmomentschwankungen addieren sich an einer Drehmasse so, dass die Summe aller Momente Null ist. Bild 10 zeigt, wie das Prinzip der Antiresonanz durch einen einfachen Tilger realisiert werden kann. Die Drehmasse wird auf einer Seite durch angreifende Drehmomente in einer bestimmten Frequenz in Bewegung gesetzt. Ein Tilger wiederum stützt sich über eine Feder an der schwingenden Masse ab und bewirkt ein Moment, das um 180° phasenversetzt ist. Mit zunehmender Frequenz wird die Drehmomentschwankung des Tilgers immer größer, bis sie derjenigen der angreifenden Masse entspricht und deren Bewegung vollständig auslöscht. Theoretisch ist es sehr einfach, die Frequenz der Antiresonanz auf eine beliebige Frequenz auszulegen. Allerdings entsteht dabei eine zusätzliche Eigenfrequenz, die sich in einer störenden Resonanzüberhöhung äußern kann. Zu beachten ist, dass Dämpfung im System die Antiresonanz stark beeinträchtigt.
Bild 10 Umsetzung des Prinzips der Antiresonanz am Beispiel eines Tilgers
Eine Antiresonanz lässt sich auch durch einen sogenannten Summierdämpfer oder eine Leistungsverzweigung erreichen. Auch hier werden Drehmomentamplituden so addiert, dass sie sich bei einer Frequenz vollständig auslöschen. Diese Systeme haben als zusätzlichen Parameter eine Übersetzung. Der Vorteil besteht darin, dass keine zusätzliche Resonanz entsteht, da kein zusätzlicher Freiheitsgrad durch eine zusätzliche Feder entsteht.
Für alle Antiresonanz-Systeme gilt, dass die Amplitude der Gegenanregung exakt gegenphasig sein sollte. Dabei ist es zwar möglich, die Antiresonanz durch geschickte Wahl der Parameter frei zu wählen. Wenn die Parameter allerdings konstant bleiben, bleibt auch die Antiresonanz auf einer festen Frequenz. Die Anregungsfrequenz ändert sich aber im Fahrzeug proportional zur Motordrehzahl. Das Problem kann dadurch gelöst werden, indem einer der relevanten Parameter proportional zur Anregungsfrequenz verändert werden kann. Ein Beispiel dafür ist das FKP. Es nutzt die Fliehkraft als Energiespeicher hat dadurch in gewisser Weise eine von der Motordrehzahl abhängige Federrate.
Limitierende Faktoren sind hier die Begrenzung des Schwingwinkels durch den Bauraum und der nichtlineare Verlauf der tangentialen Rückstellkraft, die mit zunehmendem Pendelwinkel immer kleiner wird. Dies führt dazu, dass das FKP mit abnehmender Drehzahl an Potenzial verliert.
Anwendung der Wirkprinzipien am Fliehkraftpendel
Die Anwendung der oben beschriebenen Wirkprinzipien kann dem FKP neue Potenziale erschließen. So kann einem Mangel an Bauraum dadurch begegnet werden, dass die Masse des Dämpfersystems in Richtung FKP umverteilt wird, Bild 11. Dadurch kann die Isolation bei gleicher Gesamtmasse verbessert werden; denkbar ist sogar eine Verringerung der Gesamtmasse.
Bild 11 Theoretisches Potenzial des FKP bei Umverteilung von Masse bis hin zu einer Verkleinerung der Gesamtmasse des Dämpfersystems
Anwendung der Wirkprinzipien für Tilger auf Zwischenflansch
Nicht immer findet man jedoch die Bauräume derart ideal vor, dass sich genügend FKP-Masse unterbringen lässt. Deshalb lohnt es sich, das Zusammenspiel Resonanz und Antiresonanz genauer zu analysieren. Auch hier können die Wirkprinzipien helfen: Wird der Tilger nicht direkt an der zu bedämpfenden Sekundärmasse angeordnet, sondern symmetrisch zwischen Primär- und Sekundärmasse, kann Antiresonanz entstehen, und das ohne die störende Resonanz im höheren Drehzahlbereich.
Bild 12 Wirkprinzip Tilger auf Zwischenflansch: Erzielung einer Antiresonanz ohne störende Resonanz im höheren Drehzahlbereich
Umsetzung: Tilger auf Zwischenflansch
Die symmetrische Anordnung kann dadurch erzielt werden, indem der Tilger zwischen die beiden Massen auf einem sogenannten Zwischenflansch platziert wird. Dies ist in Kombination mit einem FKP eine mögliche Option, wenn ein allzu schweres FKP zu Festigkeitsproblemen führt, mögliche Begrenzungsanschläge Geräusche verursachen oder der vorhandene Bauraum für die radiale Auslenkung zu wenig Spiel lässt.
Bild 13 zeigt ein Beispiel mit verwinkeltem Bauraum. Im verfügbaren Bauraum fehlt der notwendige Platz für die radiale Auslenkung des FKP. Deswegen wird der Tilger auf einen Zwischenflansch gesetzt. In Verbindung mit dem schon vorhandenen FKP können so die Motordrehzahlen ohne zusätzliche Masse um etwa 300 min-1 abgesenkt werden, wodurch eine Verbrauchseinsparung in diesem Betriebspunkt von zirka 6 % möglich wäre.
Bild 13 Platzierung eines Tilgers auf einem Zwischenflansch zur Nutzung der Antiresonanz
Dieser Beitrag stellt dar, wie Schaeffler auf die steigende Vielfalt an Antriebskonzepten und die daraus resultierenden Anforderungen an die Schwingungsdämpfung reagiert. Die Anforderungen sind vielfältig und umfassen Wechsel vom elektromotorischen auf verbrennungsmotorischen Antrieb und die hieraus resultierenden Start-Stopp-Herausforderungen, Zylinderabschaltung, reduzierte Bauräume, Fahren bei niedriger Motordrehzahl und erhöhte NVH-Anforderungen. Die Weiterentwicklung des Fliehkraftpendelprinzips und die Kombination verschiedener Dämpferprinzipien führen zu passgenauen Auslegungen. Darüber hinaus ermöglichen die in diesem Beitrag dargestellten Ansätze auch die weitere Absenkung der Drehzahl für den Fahrbetrieb, um Verbrauch und Emissionen einzusparen. Außerdem wurden Auslegungsmethoden von Fliehkraftpendeln beschrieben.
Bei der Suche nach neuen Dämpfungskonzepten spielen die zugrunde liegenden Wirkprinzipien eine zentrale Rolle. Insbesondere das Prinzip der Antiresonanz ist dazu geeignet, auch für komplexe Bauraumvorgaben die passenden Dämpfungskonzepte zu entwickeln.
Quellenangaben
[4] Heck, T.: Effiziente Lösungen für Automatikgetriebe – Drehmomentwandler und Kupplungsmodule. 11. Schaeffler Kolloquium, Baden-Baden, 2018
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Die Digitalversion des Tagungsbandes des Schaeffler-Kolloquiums 2018 „Mobilität für morgen“
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Die steigende Vielfalt an Antriebskonzepten hat zur Folge, dass immer unterschiedlichere Schwingungen im Antriebsstrang entstehen, die es zwischen Motor und Getriebe zu dämpfen gilt. Nach Einschätzung von Schaeffler werden die klassischen Verbrennungsmotoren noch lange Zeit eine wichtige Rolle spielen [1]. Zahlreiche Konzepte sollen in Zukunft dazu beitragen, den Kraftstoffverbrauch weiter zu reduzieren. So senkt beispielsweise das Fahren mit langer Übersetzung die Verluste des Verbrennungsmotors durch niedrigere Drehzahlen. Wird jedoch der Verbrennungsmotor nur knapp oberhalb der Leerlaufdrehzahl betrieben, dann liegt er zwar in einem besonders verbrauchsgünstigen Bereich, es entstehen dabei jedoch starke, niederfrequente Anregungen mit hohen Schwingungsamplituden. Hinzu kommt, dass das Drehmoment angehoben werden muss, um Leistungseinbußen zu vermeiden. Weitere schwingungstechnische Herausforderungen ergeben sich durch Zylinderabschaltung, Down-Sizing und durch die steigende Zahl an Hybridfahrzeugen mit den verschiedenen Anordnungen von Verbrennungsmotor, Elektromotor und Getriebe. Auch der für Hybride typische, alternierende Wechsel vom elektromotorischen auf verbrennungsmotorischen Antrieb, der vom Fahrer möglichst unbemerkt erfolgen soll, führt bei den Start- und Stopp-Vorgängen des Verbrennungsmotors zu weiteren Aufgaben der Dämpfer.
Aus diesen Trends für den Antriebsstrang der Zukunft folgen hohe Anforderungen an Dämpfungssysteme zwischen Motor und Getriebe, die durch steigende Erwartungen der Autofahrer an Komfort und Fahrdynamik noch verstärkt werden. Um der steigenden Variantenvielfalt Herr zu werden, setzen Getriebehersteller auf den verstärkten Einsatz von CAE-Werkzeugen mit dem Ziel, die Anforderungen an Schwingungsdämpfung und Geräuschverhalten (Noise Vibration Harshness, NVH) möglichst frühzeitig im Entwicklungsprozess zu verankern und die Anzahl an Erprobungen mit realen Prototypen zu senken. Das setzt eine hohe Entwicklungsqualität voraus, die Schaeffler unter anderem mit Simulationen der Fahrzeugeinflüsse für Toleranzbetrachtungen und Dämpferoptimierungen sicherstellt [2]. Darüber hinaus gilt es, effektive und maßgeschneiderte Dämpfungssysteme für tendenziell kleinere und komplexe Bauräume zu entwickeln. In diesem Beitrag soll dargestellt werden, wie Schaeffler zu diesem Zweck nach noch besseren Wirkprinzipien sucht und mit innovativen Kombinationen die Dämpfertechnologie weiter vorantreibt.
Durch Toleranzen kann außerdem ein geringer Versatz der Pendelmassen untereinander entstehen oder eine Schieflage des Flansches auftreten. Beides kann zu einem Anlaufen des Pendels am Flansch führen. Aus diesem Grund halten Borde an der Rolle die einzelnen Bauteile auf Abstand. Darüber hinaus werden zwischen Flansch und Pendel Kunststoff-Gleitelemente eingesetzt, um Verschleiß und Reibung zu minimieren [3].
Die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten haben dazu geführt, dass FKP im Antriebsstrang an vielen unterschiedlichen Stellen zu finden sind, Bild 2. Entwickelt wurde es zunächst für die Verbesserung der Isolation im ZMS und im Wandler von Automatikgetrieben, in einem weiteren Schritt dann direkt für die Kupplungsscheibe. Mittlerweile werden im Wandler von Automatikgetrieben auch zwei FKP gleichzeitig eingesetzt [4]. Beim Doppelflansch-FKP wird die Pendelmasse zwischen zwei Flanschen angeordnet, um die Anordnung jener Dämpfungselemente zu erleichtern, die für die inzwischen sehr häufigen Start-Stopp-Vorgänge notwendig sind.
Einen völlig anderen Weg geht der neue Ansatz des sogenannten Iso-Radial-Pendels, Bild 5 rechts. Dabei werden die einzelnen Pendel an einem Punkt über einen nicht im Momentenfluss liegenden Ring miteinander verbunden, die Pendelmassen sind somit synchronisiert. Auf eine der beiden üblichen Pendelrollen wird verzichtet, so dass das Pendel eine Schwenkbewegung statt einer rein radialen Bewegung ausführt. Durch diese Konstruktion ist die Anregung 1. Ordnung aus der Schwerkraft auf die einzelnen Pendelmassen eliminiert. Gegen den Kontaktverlust bei niedrigen Drehzahlen im Stoppvorgang hilft dieses Prinzip jedoch nicht, auch hier müssen die Geräusche mit Anschlagelementen im Zaum gehalten werden. Ein Vorteil liegt aber darin, dass auf die Kopplung über Federn verzichtet werden kann. Insbesondere bei niedrigen Drehzahlen kann so eine bessere Isolation erreicht werden.
Fliehkraftpendel auf Kupplungsscheibe
Das FKP kann nicht nur in einem ZMS, sondern auch direkt auf der Kupplungsscheibe an der Getriebeeingangswelle angeordnet werden. Die Konstruktion und prinzipielle Funktionsweise wurde bereits auf dem Schaeffler Kolloquium 2014 vorgestellt [5]. Inzwischen hat sie die Serienerprobungen bestanden und wird in Kürze auf dem Markt verfügbar sein. Die Auslegung erfolgte prinzipiell so, wie bereits oben dargestellt. Bild 6 zeigt analog zu Bild 3 die Isolation und den Schwingwinkel, in diesem Fall für einen Dreizylindermotor ohne (Bilder oben) und mit Reibelementen am FKP (Bilder unten). Für kleine Schwingwinkel und hohe Drehzahlen wurde eine Bahnanordnung gewählt, die im Wesentlichen der hauptanregenden 1,5. Ordnung entspricht, für größere Winkel jedoch eine deutlich niedrigere Ordnung, um Resonanzen mit dem Antriebsstrang zu vermeiden (Verstimmung nach unten). Die genaue Kenntnis der Resonanzen im Antriebsstrang und ihre Abhängigkeit vom jeweiligen Gang ist dabei eine wesentliche Voraussetzung, um das Isolationsverhalten optimieren zu können.
• Aktive Systeme: Dem System wird von außen gesteuert Energie zu- und abgeführt. Dies kann beispielsweise durch einen im hybriden Antriebsstrang befindlichen Elektromotor im Sinne einer Gegenanregung erfolgen [6]. Denkbar sind auch semiaktive Systeme, in denen ein Parameter – etwa eine Federrate – gezielt nachgeführt wird.
• Schlupfende Systeme: Dem System wird Energie entzogen. Dies kann hydraulisch wie beim Drehmomentwandler oder durch Reibung wie bei einer Kupplung realisiert werden [7].
Im Folgenden beschäftigen wir uns ausschließlich mit passiven Systemen. Wie Bild 9 zeigt, lassen sich die Basiselemente für kinetische Energie, potentielle Energie und Übersetzung beliebig kombinieren und somit nahezu unzählige Wirkprinzipien darstellen [8].
[1] Faust, H.: Das Getriebe – Auch in Zukunft die effizienteste Verbindung zwischen Antrieb und Straße! 11. Schaeffler Kolloquium, Baden-Baden, 2018
[2] Heinrich, D.; Wittmann, C.; Walther, V.: Innovatives CAE - Zielgenaue Auslegung von Getriebeelementen. 11. Schaeffler Kolloquium, Baden-Baden, 2018
[3] Kooy, Ad: Auf die Isolation kommt es an. Die Evolution des Fliehkraftpendels nicht nur für ZMS. 10. Schaeffler Kolloquium, Baden-Baden, 2014
[5] Kooy, Ad: Auf die Isolation kommt es an. Die Evolution des Fliehkraftpendels nicht nur für ZMS. 10. Schaeffler Kolloquium, Baden-Baden, 2014
[6] Reitz, D.: P2 HV-Antriebe – die effiziente Hybridisierung für alle Getriebe. 11. Schaeffler Kolloquium, Baden-Baden, 2018
[7] Küpper, K.: Denken in Systemen. 7. Schaeffler Kolloquium, Baden-Baden, 2002
[8] Reik, W.: Weniger ist Mehr! Unkonventionelle Wege zum neuen Produkt. 9. Schaeffler Kolloquium, Baden-Baden, 2010
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